"Unglaublich, aber wahr: Evangelische Landeskirche Hannover zahlt seinen Opfern bis zu 32.000 Euro Wiedergutmachung"
So überschrieb ich einen Artikel in meinem Blog, in dem es um Leistungen der Evangelischen Landeskirche Hannover an misshandelte Heimkinder geht:
http://helmutjacob.over-blog.de/article-unglaublich-aber-wahr-evangelische-landeskirche-hannover-zahlt-seinen-opfern-bis-zu-32-000-euro-wi-122294547.html
Allerdings blieben Fragen offen, die ich in einer E-Mail am 28.01.2014 an Oberlandeskirchenrat Dr. Rainer Mainusch stellte.
1. Stehen solche Zahlungen nur Opfern sexualisierter Gewalt oder auch Heimopfern aus dem Bereich der Erziehungshilfe oder der Behindertenhilfe zur Verfügung?
2. Sind diese Leistungen zusätzlich zu möglichen Leistungen aus einem Opferfonds von Bund und Kirchen?
Auch würde ich gerne Anlaufstellen für Opfer aus dem Bereich der Evangelischen Landeskirche Hannover erfahren, um diese Stellen bekannt zu machen. Es ist bekannt, dass viele Opfer den Umgang mit Computern nicht perfekt beherrschen und darum auf Blogs angewiesen sind, in denen solche Infos zu finden sind.
Die Antwort kam am 01.02.2014 um 20:35 Uhr per E-Mail:
Zu Ihren Fragen kann ich Ihnen Folgendes sagen:
zu 1.:
Die Leistungen richten sich ausschließlich an Opfer sexualisierter Gewalt. Soweit diese Voraussetzung erfüllt ist, kommt es aber nicht mehr darauf an, ob die Gewalt in einer Körperschaft (Kirchengemeinde, Kirchenkreis usw.) oder Einrichtung der Landeskirche oder in einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werks der Landeskirche geschehen ist. Das kann also auch im Bereich der Erziehungs- oder Behindertenhilfe sein. Die Einrichtung muss nur zum Bereich unserer Landeskirche gehören. Wenn es sich um Einrichtungen anderer Landeskirchen handelt, müssen wir auf diese Landeskirchen verweisen.
Zu 2.:
Unsere Leistungen sollen nach dem Merkblatt, das ich zu Ihrer Kenntnis noch einmal beifüge, „im Rahmen des Möglichen eine schmerzensgeldähnliche Zuwendung für die nichtmateriellen Schäden“ im Zusammenhang mit der Anwendung sexualisierter Gewalt darstellen. Durch den sog. Heimkinderfonds, an dem sich unsere Landeskirche und unser Diakonisches Werk ebenfalls beteiligt haben, werden solche Leistungen in der Regel gerade nicht erfasst. Ähnlich verhält es sich mit dem sog. Ergänzenden Hilfesystem, das die Bundesregierung jetzt etabliert und dem die Evangelische Kirche in Deutschland bereits beigetreten ist. Leistungen aus diesem Ergänzenden Hilfesystem dienen ähnlich wie der sog. Heimkinderfonds der Milderung noch anhaltender Folgen sexualisierter Gewalt. Leistungen wie unsere Leistungen in Anerkennung erlittenen Leids sind von dem Ergänzenden Hilfesystem ausdrücklich ausgenommen.
Anlaufstelle ist in unserer Landeskirche unsere Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt. Sie wird geleitet von Frau Pastorin Hella Mahler; sie ist unter der Rufnummer 0511/1241-650 oder unter der Mail-Adresse Hella.Mahler@evlka.de zu erreichen. Nähere Angaben zur Ansprechstelle können Sie unserer Themenseite www.praevention.landeskirche-hannovers.de/ entnehmen, auf die ich Sie bereits hingewiesen hatte. Nach vorheriger Vereinbarung besteht auch die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch mit Frau Mahler.
Ich hoffe, diese Hinweise helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Mainusch
Oberlandeskirchenrat
Hier das das vom Oberlandeskirchenrat beigefügte Merkblatt:
Merkblatt
über Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexualisierter Gewalt in Körperschaften und Einrichtungen der Landeskirche und in Mitgliedseinrichtungen ihres Diakonischen Werks zugefügt wurde
1. Anwendungsbereich
Die nachstehenden Grundsätze regeln ausschließlich Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids. Diese Leistungen sollen im Rahmen des Möglichen eine schmerzensgeldähnliche Zuwendung für die nichtmateriellen Schäden darstellen, die Opfer sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende einer Körperschaft oder Einrichtung in der Landeskirche oder durch Mitarbeitende einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werks der Landeskirche erlitten haben. Die Grundsätze gelten ausschließlich für Fälle, in denen Schmerzensgeldansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können, weil die Ansprüche verjährt sind. Nicht verjährte Ansprüche müssen vorrangig gegenüber den unmittelbar verantwortlichen Personen oder Stellen geltend gemacht und ggf. auf dem Rechtsweg verfolgt werden.
Personen, die Opfer sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende im Bereich der Landeskirche (z.B. in einer Kirchengemeinde, einem Kirchenkreis oder in einer landeskirchlichen Einrichtung) wurden, können über eine Leistung in Anerkennung des erlittenen Leids hinaus im Einzelfall Leistungen zwecks Milderung noch andauernder Folgewirkungen der sexualisierten Gewalt erhalten. Solche Leistungen setzen voraus, dass Ansprüche gegen die Verantwortlichen nicht geltend gemacht werden können und dass Leistungen durch eine andere Stelle (z.B. durch eine Krankenversicherung oder eine andere Versicherung) nicht in Betracht kommen.
Leistungen zur Milderung von Folgewirkungen sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werks, vor allem im Bereich der früheren Heimerziehung, richten sich ausschließlich nach den Leitlinien des Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“.
2. Voraussetzungen für die Gewährung der LeistungenLeistungen in Anerkennung des erlittenen Leids können Personen geltend machen,
- wenn sie Opfer sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende einer Körperschaft oder Einrichtung im Bereich der Landeskirche oder einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werks der Landeskirche geworden sind und
- wenn zusätzlich ein institutionelles Versagen kirchlicher Verantwortungsträger ursächlich oder mitursächlich für das erlittene Leid war.
Ein institutionelles Versagen liegt insbesondere dann vor, wenn vorgesetzte Personen oder Stellen
- Kenntnis von entsprechenden Übergriffen hatten und nicht oder nur unzureichend reagiert haben,
- Druck auf das Opfer oder andere Personen ausgeübt haben, die Übergriffe nicht anzuzeigen,
- in Kenntnis anderer Fälle von sexualisierter Gewalt in einer kirchlichen Körperschaft oder einer Einrichtung keine oder nur unzureichende Vorkehrungen getroffen haben, um weitere Fälle sexualisierter Gewalt zu verhindern.
3. Höhe der Leistungen
Die Höhe der Leistungen orientiert sich an den Grundsätzen, die die staatliche Rechtsprechung für Schmerzensgeldansprüche in vergleichbaren Fällen entwickelt hat. Sie wird im Einzelfall festgesetzt und richtet sich insbesondere nach
- Art und Ausmaß des Übergriffs bzw. der Übergriffe,
- Umfang und Schwere der Beeinträchtigung des Opfers und
- dem Grad des Verschuldens beim Täter / bei der Täterin.
4. Freiwilligkeit der Leistungen
Leistungen in Anerkennung des Leids sind freiwillige Leistungen, die ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht erfolgen. Für diese freiwilligen Leistungen ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Aus der Gewährung dieser freiwilligen Leistungen können keine neuen Rechtsansprüche hergeleitet werden oder etwa aus der Gewährung der freiwilligen Leistungen entstehen.
5. Hinweise zum Verfahren
Ein Antrag auf Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids ist schriftlich unter Verwendung des dafür vorgesehenen Antragsformulars zu stellen. Der Antrag ist an die landeskirchliche Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt (Anschrift siehe unten unter 7.) zu richten. Die Ansprechstelle steht auch für Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung zur Verfügung. Sie arbeitet unabhängig und ist nicht an Weisungen des Landeskirchenamtes oder einer anderen kirchlichen Stelle gebunden.
Dem Antrag ist die Kopie eines gültigen Ausweisdokuments (Personalausweis oder Reisepass) beizufügen. Die Richtigkeit aller Angaben ist auf dem Antragsformular an Eides Statt zu versichern.
6. Entscheidung über die Anträge
Die Entscheidung über die Anträge obliegt der Unabhängigen Kommission zur Prüfung von Leistungen in Anerkennung des Leids an Opfer sexualisierter Gewalt. Diese Kommission hat der Kirchensenat der Landeskirche eingesetzt. Sie besteht aus vier Mitgliedern. Darunter befinden sich zwei Personen mit der Befähigung zum Richteramt, eine Person aus dem Seelsorge-Bereich und ein Mitglied der Landessynode. Die Mitglieder der Unabhängigen Kommission sind nicht an Weisungen der Landeskirche, des Diakonischen Werks der Landeskirche oder einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werks gebunden.
Die Unabhängige Kommission entscheidet nach Lage der Akten. Sie kann eine mündliche Anhörung von Antragstellern/Antragstellerinnen durchführen, wenn sie dies für erforderlich hält oder wenn ein Antragsteller/eine Antragstellerin dies beantragt. In diesem Fall kann ein Antragsteller/eine Antragstellerin auf Wunsch durch die landeskirchliche Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt
begleitet werden. Die Beratungen der Unabhängigen Kommission sind nicht öffentlich. Ein Vertreter des Landeskirchenamtes oder der betroffenen diakonischen Einrichtung nimmt an den Beratungen ohne Stimmrecht teil.
Gegen eine Entscheidung der Unabhängigen Kommission kann der Antragsteller/die Antragstellerin innerhalb eines Monats nach schriftlicher Bekanntgabe der Entscheidung beim Kirchensenat der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Rote Reihe 6,
30169 Hannover Beschwerde einlegen. Die Entscheidung des Kirchensenats ist endgültig;
der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Die Auszahlung von Leistungen erfolgt über das Landeskirchenamt.
7. Ansprechpartner/innen
Landeskirchliche Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt: Pastorin Hella Mahler
Rote Reihe 6, 30169 Hannover
Tel.: 0511/1241-650; Mail: Hella.Mahler@evlka.de
Mail-Adresse für direkten Kontakt mit den Mitgliedern der Unabhängigen Kommission: Unabhaengige.Kommission@evlka.de
Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Rote Reihe 6, 30169 Hannover
- Sachbearbeitung: Kirchenamtsrätin Edeltraud Vormfenne
Tel.: 0511/1241-294; Mail: Edeltraud.Vormfenne@evlka.de
- Abteilungsleitung: Oberlandeskirchenrat Dr. Rainer Mainusch
Tel.: 0511/1241-284; Mail: Rainer.Mainusch@evlka.de
Stand: 24. Oktober 2012
Evangelische Landeskirche Hannover, sexueller Missbrauch, Wiedergutmachung,