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22. September 2012 6 22 /09 /September /2012 13:49

whistleblower.jpg

Sie werden verachtet, geschnitten, bestraft: Whistleblower. 

Laut Wikipedia ist dies „ein Hinweisgeber oder ein Informant, der Missstände wie illegales Handeln (z. B. Korruption, Insiderhandel und Menschenrechtsverletzungen) oder allgemeine Gefahren, von denen er an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfährt, wie beispielsweise als Patient bei einer medizinischen Behandlung, an die Öffentlichkeit bringt.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower

Im großen Weltgeschehen sind es z.B. amerikanische Soldaten, die über Menschenrechtsverbrechen in einem Gefangenenlager der US-Navy in der Guantanamo-Bucht der Insel Kuba oder über militärische Vernichtungszüge gegen die Zivilbevölkerung in Afghanistan und im Irak berichten. Wegen Verbreitung solchen Insiderwissens versucht beispielsweise die amerikanische Justiz, den Wikileakes-Gründer Julian Assange, der derzeit Asyl in England genießt, im Rahmen eines Auslieferungsantrages vor die amerikanische Gerichtsbarkeit zu bekommen, wo ihm wegen Hochverrates die Todesstrafe droht.

Im näheren Umfeld wurde in den vergangenen Jahren die Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch zum Whistleblower. Der evangelische Theologe Dierk Schäfer aus Bad Boll hat ihre Zivilcourage nachgezeichnet: „...Heinisch hatte durch die Anzeige gegen ihren Arbeitgeber öffentlich gemacht, daß in dem Vivantes-Pflegeheim, in dem sie arbeitete, aus Personalmangel die alten Leute zum Teil bis mittags unversorgt in ihren Exkrementen liegen mußten und daß es eine Anweisung gab, an Windeln zu sparen.“ Schäfer weiter: „Würdiges Sterben sieht anders aus.“ 
http://dierkschaefer.wordpress.com/2011/07/31/wurdiges-sterben/

Die Firma Vivantes kündigte ihr und bekam vor deutschen Gerichten Recht. Erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wurde sie rehabilitiert. „World Socialist Web Site” dazu: Das Verfahren gegen Vivantes aufgrund der Anzeige stellte die Staatsanwaltschaft Berlin schon im Mai 2005 ein; die fristlose Kündigung der Altenpflegerin aber wurde 2006 in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Berlin bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht ließ keine Klage zu.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist diese gerichtlichen Entscheidungen nun zurück. Der Ruf der Firma könne nicht schwerer wiegen, als das öffentliche Interesse an der Aufdeckung von Mißständen in Pflegeanstalten. Auf frühere Hinweise an die Geschäftsleitung habe das Unternehmen nicht reagiert, wodurch sich der Verdacht auf bewusste Vertuschung erhärtet habe. Brigitte Heinisch wurden vom EGMR 15.000 Euro Schadensersatz zugesprochen.
http://www.wsws.org/de/2011/jul2011/hein-j28.shtml

Bezeichnenderweise wurde Brigitte Heinisch das Bundesverdienstkreuz, dass Dierk Schäfer für ihre beispielhafte Zivilcourage beim Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, beantragte, verweigert. Schäfer: „Am 2. Dezember erhielt ich die Auskunft, „dass nach Abschluß des hierfür erforderlichen Prüfungsverfahrens die Voraussetzung für eine Ordensverleihung an Frau Heinisch nicht gegeben sind.“
http://dierkschaefer.wordpress.com/2011/12/31/2243/

Unbekannte Whistleblower gab es in der Heimszene schon vor 50 Jahren. In den damaligen „Orthopädischen Heil-, Lehr- und Pflegeanstalten Volmarstein“ (heute: Evangelische Stiftung Volmarstein), einer Einrichtung der Inneren Mission (die Vorläuferorganisation des Diakonischen Werkes) war es der Diakonenschüler Karl Joachim Twer, der geradezu verbrecherische Zustände in einem Heim für behinderte Schüler an die interne Öffentlichkeit brachte. Twer schrieb einen Praktikumsbericht. Auszug: 
„Eine Begebenheit auf der Mädchenstation, bei der ein Mädchen, ich möchte fast sagen auf bestialische Weise gezwungen wurde zu essen, beanspruchte meine Nerven aufs Äußerste. Die beiden Diakonissen der Mädchenschulstation hatten ein schmächtiges, elend aussehendes Würmchen auf den Boden gelegt, knieten sich auf Arme und Beine, und während die eine den Kopf festhielt und ihm den Mund aufriß, schaufelte die andere (man kann es wirklich nicht anders bezeichnen) das Essen, Kartoffel, Fleisch und grünen Salat in den Mund. Was das Kind erbrach wurde wieder mit hineingeschaufelt. Begleitet wurde das Ganze von einem herzzerreißenden Geschrei des Mädchens. Ich war unfähig zu handeln. Der freie Nachmittag, der das Essen beschloß, bewirkte durch endloses Wiederholen dieses Dokumentarfilms, begleitet von Herz- und Magenkrämpfen, einen hohen Grad an Erholung und Entspannung. - Sieht es so hinter allen Anstaltsmauern aus? 
Ein Gespräch über diesen Vorfall, das sich zufällig mit Herrn Pfarrer K. [Ernst Kalle, damaliger Anstaltsleiter] ergab, endete mit den leeren Worten: ‚Bruder T., es ist gut, wenn man neben den positiven auch die negativen Seiten sieht!’"
Aus dieser Ignoranz zog Twer Konsequenzen: “Meine Marschrichtung war klar. Mit Hilfe von höherer Stelle war nicht zu rechnen. Ich sagte dem unmenschlichen Geschehen auf der gesamten Schulstation den Kampf an. Das klingt sehr hart, war aber in dieser Verzweiflung mein Fahrplan. Mir war klar, daß für mich nun ein Nervenkrieg folgen würde, wie er in einer kirchlichen um nicht zu sagen christlichen Einrichtung wohl nicht erforderlich zu sein brauchte.“
http://gewalt-im-jhh.de/Auszug_aus_einem_Praktikumsber/auszug_aus_einem_praktikumsber.html
(Kompletter Praktikumsbericht: http://gewalt-im-jhh.de/Auszug_aus_einem_Praktikumsber/Twer_Jochen_Praktikumsbericht_komplett.pdf)


Twers Befürchtungen traten ein. Der Ausbildungsleiter des Brüderhauses „Martineum“ in der Volmarsteiner Anstalt drängte ihn, die anklagenden Teile aus dem Praktikumsbericht zurückzunehmen. Twer weigerte sich. 

In dieser Weigerung wird sichtbar, welche „heilsamen“ Wirkungen Whistleblower entfalten. Die Verbrechen an den behinderten Heimkindern fanden ein jähes Ende. Jahrzehnte später - Jochen Twer wollte das eine noch vorhandene Exemplar dieses Praktikumsberichtes im Rahmen eines Umzuges entsorgen – forschte der evangelische Theologe Ulrich Bach (inzwischen verstorben) nach diesem Dokument. Er sollte ein Beitrag zur Aufarbeitung der Verbrechen an den Volmarsteiner Heimkindern aus der Sicht einer Gruppe von Heimopfern werden. Bachs Überlegung: Neben subjektiven Schilderungen der Opfer machen Aussagen ehemaliger Mitarbeiter in der gleichen Zeit diese Schilderungen glaubwürdiger.

In der letzten Konsequenz waren die Schilderungen der Heimopfer zusammen mit dem Praktikumsbericht, der auf der Homepage der Opfergruppe veröffentlicht wurde, so überzeugend und eindringlich, dass sich die Evangelische Stiftung Volmarstein nach heftigem Sträuben veranlasst sah, die Historiker Professor Hans Walter Schmuhl und Dr. Ulrike Winkler mit Nachforschungen zu beauftragen.

Auch Brigitte Heinischs Engagement bewirkt – ebenso wie undichte Stellen überall da, wo Ungerechtigkeit und Verbrechen geschehen -, dass die Täter wissen: Sie werden beobachtet und in einzelnen Fällen angezeigt.

Die Welt braucht Whistleblower, damit sie moralisch nicht völlig unter die Räder kommt. 

 

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18. September 2012 2 18 /09 /September /2012 19:58

Nein, mit der Schlagzeile wird nicht an die Fernsehserie auf irgendeinem deutschen TV-Blut- und Tränensender aufmerksam gemacht. Hier soll aufgezeigt werden, als wer, wie und womit ein Entronnener von Kinder- und Jugendhöllen an die Almosen gelangt, die der RTH anstelle von echter Opferentschädigung ertüftelt hat.

Wer die Arbeit des RTH beobachtet hat, weiß: Dort wurde gelogen und verbogen, die nicht erwünschten Opfervertreter freundlich grinsend über den Tisch gezogen und ansonsten geschwisterliche Eintracht demonstriert. Man handelte nach der Devise: Opferbegehren abwimmeln, Schaden verschweigen oder minimieren, mit einem Almosen die Opfer besänftigen.

In vielen Fällen geht die Rechnung auf. Immer mehr wollen die Almosen des RTH. Viele wissen nicht, wie sie da herankommen.

Folgende Links sollen darüber informieren:

Geschäftsstelle Fonds Heimerziehung West    Berlin, April 2012

Beantwortung der häufig gestellten Fragen (FAQ) bzgl. des Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975

pdf  - Datei     doc - Datei

 

FAQ [wichtige Anmerkungen von Pfarrer Dierk Schäfer in geänderter PDF-Datei]

Posted inheimkinder,Kinderrechte,Kirche,Politikby dierkschaefer on 19. September 2012

FAQ : Wenn ehemalige Heimkinder fragen, dann antworte ihnen so:

Im Anhang  habe ich das von Herrn Jacob als Link in seinen Blog gestellte Dokument bearbeitet.Fonds_Heimerziehung_West b

Hervorhebungen in gelb sind von mir.

Hinzufügungen/Kommentare sind von mir, auch in gelb, aber kursiv und jeweils abschließend mit ds gekennzeichnet und in Klammern [ … ] gesetzt.

Bei der Kommentierung konnte ich die Originalformatierung nicht erhalten. Darum auch der Anhang  mit dem von Herrn Jacob als PDF in seinen Blog gestellten Dokument.Fonds_Heimerziehung_West o
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9. September 2012 7 09 /09 /September /2012 20:12

Dierk Schaefers Blog
Alexander Homes – Ein Pionier 

Menschenrechte, Politik, Psychologie, Theologie by dierkschaefer on 6. September 2012»Das Buch „Prügel vom lieben Gott“ erschien erstmals 1981, also vor über 30 Jahren. Wer es gelesen hat, wird sich schlagartig bewusst, wie bizarr und verlogen die gesamte Heim-Debatte läuft. Denn Alexander Homes beschreibt aus eigenem Erleben alles, wirklich alles, was 25 Jahre später mit (echtem oder geheucheltem) Entsetzen wahrgenommen wurde: die Gewalt und die sexuellen Übergriffe gegen Heimkinder, die christliche Grundlage dieser Art von Erziehung, deren Ziel es war, die Kinder klein zu machen und ihren Willen zu brechen. Auch wenn Homes seine Erfahrung literarisch verfremdet wiedergibt, hätten alle bereits damals wissen können, was in den Heimen vor sich ging, welche traumatischen Folgen dies für die Kinder hat und wie sich dies auf ihren weiteren Lebensweg auswirkt.In einem langen Vorwort zur Neuausgabe geht der Autor auf das Zusammenspiel von Tätern und Vertuschern ein. An seiner eigenen Geschichte zeigt er, dass die Kirche noch in den 1980er und 1990er Jahren mit allen juristischen und propagandistischen Mitteln versucht hat zu verhindern, dass die Geschehnisse an die Öffentlichkeit gelangen. Dass er Namen nennt und Beweise anführt, die den Schluss nahelegen, dass auch relativ hohe kirchliche Würdenträger in dieser Frage ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit haben, gibt seinem Buch auch heute noch Brisanz.Prügel vom lieben Gott – Eine Heimbiographie, Verlag: Alibri, 2012, 141 Seiten,  Euro 12,50«

Heidi Dettinger (VEH) dazu: 8. September 2012 at 12:55“

An seiner eigenen Geschichte zeigt er, dass die Kirche noch in den 1980er und 1990er Jahren mit allen juristischen und propagandistischen Mitteln versucht hat zu verhindern, dass die Geschehnisse an die Öffentlichkeit gelangen.”Und “die Kirche” wird es wieder tun – es gibt bereits heute Hinweise darauf, dass man versuchen wird, das Buch erneut zu verbieten, einzustampfen, einzuschwärzen.Warum eigentlich nicht gleich verbrennen?Mein Rat: Wer das Buch von Alexander Homes lesen will, sollte sich beeilen, sollte es bestellen und kaufen. Wer weiß, wie lange das noch möglich sein wird…


http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/09/06/alexander-homes-ein-pionier/#comments

 

»Das Opfer sei zum Täter umgedeutet worden, zu einem Täter, der den guten Ruf des Stifts – „eine vorbildliche Einrichtung“ nach Einschätzung der Landesregierung – beschädigte, sowie Mitarbeiter beschuldigte.«

[Sonnabend, 22. September 2012]

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28. August 2012 2 28 /08 /August /2012 17:43

dierk schaefer

In seinem Blog geht der evangelische Pfarrer im Ruhestand Dierk Schäfer, Bad Boll, mit mehreren Beiträgen auf das Thema Beschneidung ein. Er ist, wie wohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung, gegen diese Beschneidung. 

Hier Auszüge aus seinen Blogeinträgen: 

Das weckt Erinnerungen an schlimmste Szenarien jüdischer Verfolgung

»Aus der jüdischen Gemeinde kommt weiter scharfe Kritik an dem Kölner Urteil. Der baden-württembergische Landesrabbiner Netanel Wurmser äußerte sich entsetzt: „Das weckt Erinnerungen an schlimmste Szenarien jüdischer Verfolgung“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa«.

Ein geradezu obszöner Vergleich des Landesrabbiners, wenn er Kinderschutz mit der Ermordung von sechs Millionen Juden gleichsetzt. Anderen, die den Holocaust in solcher Weise relativieren, droht ein Strafverfahren. Allerdings würde ich Herrn Wurmser mildernde Umstände zubilligen, was noch lange kein Grund ist, über Gesetze nachzudenken, wie man Minderjährige zur Beschneidung freigibt. Doch Freiheit und Selbstbestimmung sind offensichtlich auch für die FDP-Justizministerin erst Werte für wahlberechtigte Erwachsene. Kinder sind rechtlos – wie damals in den Kinderheimen.

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/07/15/das-weckt-erinnerungen-an-schlimmste-szenarien-judischer-verfolgung/

 

Gott wurde schon allerhand abgewöhnt

... Nun zu den körperlichen Eingriffen. Hier sollte das Recht auf Unversehrtheit gelten, mindestens bis zur Religionsmündigkeit mit 14 Jahren. Also keine Beschneidungen, keine Tattoos, keine Solarstudios, auch kein Ohrlochstechen. Eingriffe dürfen nur aus gesundheitlichen Erfordernissen vorgenommen werden. Schwierig wird es bei kosmetischen Eingriffen. Doch wohl niemand wird etwas gegen den kosmetischen Anteil bei einer Gaumenspaltenoperation („Hasenscharte“) einwenden wollen. Es geht darum, daß Kinder so gut wie möglich unbeschwert ihren Weg ins Leben finden können.

Damit ist im Fall der Beschneidung jedoch ein weiteres Problem verbunden. Ausgerechnet ein deutsches Gericht hat sie als strafbar beurteilt. Damit wird jüdisches Leben erschwert oder gar unmöglich gemacht. Und das in einem Land, das Juden millionenfach ermordet hat. Wäre der Vorfall nicht so ernst, könnte man von einem Treppenwitz der Weltgeschichte sprechen, daß ausgerechnet in Deutschland als einzigem Land der Welt ein Grundelement jüdischer Identität unter Strafe stehen soll. Aber sollen wir nur wegen unserer verbrecherischen Vergangenheit Religionen vor dem bewahren, dem sie ohnehin ausgesetzt sind, wenn sie sich in der Welt umschauen – dem Modernisierungsdruck nämlich. Mir scheint, daß jüdische wie auch islamische Theologen versäumt haben, Gott einiges abzugewöhnen. Wem das zu blasphemisch klingt: Diese Theologen haben versäumt, ihre Glaubensbrüder, natürlich auch –schwestern zur Mündigkeit gegenüber Gott und der Welt zu führen.

Was die Beschneidung betrifft: Sie ist selber ein Symbol und kann durch unblutige ersetzt werden. Sind die Kinder groß, werden sie selbst über ihren Körper verfügen.

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/07/17/gott-wurde-schon-allerhand-abgewohnt/

 

O weh geschrien

Laut einer Meldung von kna pocht der Hildesheimer Bischof Trelle beim Thema Beschneidung auf Religionsfreiheit und ruft Juden, Christen und Muslime auf, für die freie Ausübung der Religion einzustehen.

Die Gesellschaft müsse immer wieder auf die „friedensstiftenden und freiheitlichen Dimensionen unserer Religionen“ hingewiesen werden.

Offensichtlich wertet Trelle das Kölner Beschneidungsurteil als Angriff auf die Religionsfreiheit. Er will anscheinend nicht wahrhaben, daß es hier um die Rechte von Schutzbefohlenen geht, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Damit begibt sich der Bischof auf das Niveau von Rechtsordnungen, denen Körperstrafen kein Tabu sind, so bei den Hadd-Strafen der Scharia.

Er hätte ja auch zu einem vernunftgesteuerten Diskurs zur Abwägung von Elternrechten (hier auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder) und grundlegenden Menschenrechten, die auch Kindern zu stehen, aufrufen können. Er scheint aber Angst zu haben, daß mit einem Beschneidungsverbot ihm alle Felle davon schwimmen, so auch die zur gewaltfreien religiösen Erziehung von Kindern. Wer sich so verkämpft, opfert letztlich auch das, was ihm legitimerweise zusteht.

Doch gibt es nicht auch im Christentum eine unheilvolle Geschichte gewaltsamer Erziehung, weit entfernt von der „friedensstiftenden und freiheitlichen Dimensionen unserer Religion“? Möchte Trelle wieder dort hin?

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/08/o-weh-geschrien/

 

Der Name passt: Metzger

» Oberrabbiner Metzger warnte in Berlin: „Von uns zu fordern, dieses Gebot zu ändern, heißt, unsere Religion zu verändern.“ Man könne ebenso wenig von einem katholischen Pfarrer verlangen, Weihnachten zu verschieben, um es im Sommer in kurzen Hosen am Meer zu feiern«.

http://www.derwesten.de/politik/oberrabbiner-sieht-bei-beschneidung-kaum-kompromisse-id7010222.html

Wenig Ahnung scheint er zu haben, der Oberrabbiner. Das Weihnachtsfest und sein Termin hat eine Geschichte – und es wird von verschiedenen christlichen Konfessionen durchaus auch zu verschiedenen Zeiten gefeiert. Wegen kurzer Hosen wird man es wohl nicht verlegen wollen – aber wenn der Termin in eklatantem Widerspruch zu Menschenrechten, zum Recht von Schutzbefohlenen auf körperliche Unversehrtheit stünde, dann sollte man es sofort verschieben.

Der Rabbi Jesus sagte, der Sabbat sei für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat. Vom Rabbi Jesus könnte der Oberrabbi sicher etwas lernen. Aber wenn man schon Ober ist …

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/21/der-name-past-metzger/

 

Die Beschneidungsversuche des Ethikrates

»„Der Gesetzgeber ist in einer Art rechtspolitischem Notstand“, sagte der Hamburger Strafrechtler Reinhard Merkel. Er hob das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Priorität des Kindeswohls hervor. Nur eine Art „Sonderrecht“ könne die Beschneidung gegen alle strafrechtlichen Einwände für rechtmäßig erklären. Allerdings gebe es wegen des deutschen Massenmordes an den Juden eine „Pflicht zur besonderen Sensibilität“«.

In diesem Dilemma griff der Ethikrat zur Schere und beschnitt das Recht auf Beschneidung in einer Art, von der er gewußt haben muß, daß das nicht funktionieren kann. »Ja zur Beschneidung von Juden und Muslimen in Deutschland, aber nur unter Auflagen«.

»Notwendig sei eine umfassende Aufklärung über mögliche Risiken ebenso wie die fachgerechte medizinische Ausführung des Rituals. Mindeststandards seien außerdem eine qualifizierte Schmerzbehandlung und die Anerkennung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts der betroffenen Jungen, hieß es in einer Mitteilung des Ethikrats«.

Der Ethikrat hat nur Empfehlungsbefugnisse. Wetten, daß das von den Auflagen allenfalls die fachgerechte medizinische Ausführung und die qualifizierte Schmerzbehandlung kommen wird – ohne daß die Einhaltung dieser Auflagen kontrolliert wird.

Es ist ja ohnehin skurril, daß Ärzte (von denen übrigens nicht die Rede ist, ein Schnellkurs für Beschneider wird wohl auch ausreichen, – auch ist nur von Schmerzbehandlung die Rede, nicht aber von Schmerzvermeidung durch Narkose), es ist also ohnehin skurril, daß fachliches Know-how für medizinisch nicht nötige Eingriffe, noch dazu bei Schutzbefohlenen eingesetzt und vielleicht auch noch vom Gesundheitssystem finanziert wird.

Doch davon abgesehen: Der dummdreiste Auftritt des Oberrabbiners Metzger war vorab eine Absage an diesen Teil der Auflagen. Fragen des Kindeswohls sprach er den Medienberichten zufolge nicht an, sondern bagatellisierte den Eingriff und verwies im übrigen auf den Gottesbefehl. Gottesrecht bricht Menschenrecht. Für Fundamentalisten jeder Art ist das eine unumstößliche Grundlage.

Was gewiß nicht kommen wird, ist ein ernstzunehmendes entwicklungsabhängiges Vetorecht der betroffenen Jungen. Da Kinder nicht geschäftsfähig sind, benötigten sie für Zustimmung wie für Verweigerung einen Betreuer – so eine Art Anwalt des Kindes. Wenn der tatsächlich dem Kindeswohl verpflichtet und nicht an religiösen Vorgaben orientiert ein Kind aufklärt, so daß es zu einer eigenständigen Entscheidung kommen könnte, so ist die Beschneidung von Babies ohnehin ausgeschlossen. Herr Metzger wird Zeter und Mordio schreien und die Antisemitismuskeule schwingen. Diese Vorgabe ist also allenfalls bei der muslimischen Beschneidung denkbar. Ob sich streng religiöse Menschen allerdings auf einen nicht-muslimischen Betreuer einlassen werden, ist kaum anzunehmen.

Das Kernstück des Ethikvorschlages, das Vetorecht des Kindes, ist also wider besseren Wissens unrealistisch. Die Beschneidung der Beschneidungsrechte mag gut gemeint sein – doch für unverbindliche gut gemeinte Ratschläge muß man keinen Ethikrat finanzieren.

Quellen: http://www.zeit.de/gesellschaft/2012-08/beschneidung-betaeubung-ethikrat/komplettansicht?print=true Freitag, 24. August 2012

http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1353831 Donnerstag, 23. August 2012

Blog Schäfer: http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/24/die-beschneidungsversuche-des-ethikrates/

 

Beschneidungsdebatte und kirchliches Profil

Kaum war das Kölner Urteil zur Beschneidung bekannt, beeilten sich Vertreter beider Großkirchen, die Beschneidung zu verteidigen. Sie befürchteten eine Einschränkung des Elternrechts auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder.

Gut gemeint ist oft aber schlecht gemacht, so auch in diesem Fall, der Anlaß gibt, an der Führungskompetenz der Kirchenvertreter zu zweifeln, zu verzweifeln.

Allzuviel nachgedacht haben sie offensichtlich nicht. Schließlich hätten sie wohl zum ersten Mal einen Vorteil aus ihrer Teil-Säkularisierung ziehen können, in der sie bisher immer nur Federn lassen mußten. Ich denke zwar, daß diese Verschlankung den Kirchen gut getan hat, doch das sehen manche anders – und auch sie haben gute Gründe dafür. Nachdem die Kirchen gezwungenermaßen eine Menge Ballast abgeworfen haben, weil dieser mit den Rechtsvorstellungen und Erkenntnissen unserer Zeit in deutlichem Widerspruch stand, haben sich die Kirchenvertreter in Beschneidungsfragen jedoch mit der Welt von vorgestern solidarisiert. Sie hätten ja auch den Modernisierungsdruck preisen und fordern können, daß auch andere Religionen menschenrechtswidriges Denken und Handeln ablegen sollen.

Hätten sie wenigstens geschwiegen!

Aber nein, sie hatten offensichtlich Angst vor den Kirchenfeinden, die am liebsten die religiöse Erziehung von Kindern ganz verbieten wollen, was doch immerhin eine illusorische und, wie ich meine, dumm-dreiste Forderung ist. Doch nun sitzen die Kirchen im selben Boot mit Leuten, die meinen, sie müßten Kindern am Penis herumschnippeln, und das sei gut so, denn Gott wolle das. Eine merkwürdige Gottesvorstellung, die doch wohl eher Gotteslästerung ist. Eine Steilvorlage für die Kirchengegner, die nun zum Generalangriff blasen. Der hat zwar keine Chancen. Aber unsere Kirchenoberen haben wieder einmal das bezeugt, was ihre Kritiker ihnen vorwerfen: Vorgestrige Institutionen, die Menschen- und Kinderrechte auf dem Altar ihrer Traditionen opfern.

Sie sollten mal die Geschichte von Abraham und Isaak auf neue Art lesen.

Kirchen, die so geführt werden, brauchen keine Feinde. Sie sind in sich selbst verkrümmt, ecclesiae incurvatae in se.

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/25/beschneidungsdebatte-und-kirchliches-profil/

 

Ich meine:

Man muss nicht viel Verstand haben, um gegen die Beschneidung zu sein. 1. tut sie weh. Und darum ist die Beschneidung abzulehnen. 2. ist sie nicht nötig. Es gibt keine überzeugenden Argumente außer mögliche  medizinische Notwendigkeiten. Darum ist die Beschneidung auf jeden Fall Körperverletzung. 3. wird dem Kind die Qual der Wahl genommen. Und dies ist eine Menschenrechtsverletzung. Religiös gefärbte Begründungen können in der Bundesrepublik Deutschland keinen Bestand haben, weil diese Art Körperverletzungen bereits per Grundgesetz ausgeschlossen ist und ausgeschlossen bleiben sollte. 

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28. August 2012 2 28 /08 /August /2012 16:00

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Sexueller Missbrauch in der Katholischen Kirche

Interview:


System von Demut und Demütigung

(hpd) In der Debatte über Kinder, die in kirchlichen Erziehungsanstalten aufwuchsen, steht der sexuelle Missbrauch im Vordergrund. Ein soeben erschienener Sammelband zeigt, dass bereits der Alltag in solchen Einrichtungen tiefe Spuren bei den Kindern hinterließ. Rolf Cantzen hat darin ganz unterschiedliche Geschichten von Schülern, die in katholischen Internaten waren, zusammengestellt.

Die Geschichten gewähren Einblick in eine Welt, in der Gewalt, Willkür und Demütigung vorherrschten. Sie verstören und helfen gleichzeitig zu verstehen, warum die katholische Kirche bis heute nicht in der Lage ist, sich zu ihrer Verantwortung für die physische und psychische Misshandlung der Schüler zu bekennen. hpd sprach mit Herausgeber Rolf Cantzen.

Sie waren selbst einige Jahre im Internat...

Rolf Cantzen: Ja, sehr lange, ab 1965 bis zum Abitur. Es war ein Jungeninternat, betrieben von Herz-Jesu-Priestern in Handrup. Handrup ist ein kleines Dorf im Emsland. Das Internat mit angeschlossenem Gymnasium – die Schule existiert als kirchliche Privatschule noch heute – gehörte Mitte der 1960er-Jahre zu den billigsten in ganz Deutschland. Es hatte das erklärte Ziel, den Priesternachwuchs zu fördern. Die Beaufsichtigung der etwa 250 Schüler übernahmen die Ordenspriester, die in der Regel keinerlei pädagogische Ausbildung hatten und zu den Mitteln griffen, die sie kannten: Repression, Prügel, Strafen. Vieles änderte sich dann in den 1970er-Jahren.

Welche Einrichtungen haben die anderen Autoren besucht?

Rolf Cantzen: Quer durch die alte Bundesrepublik: Katholische Jungeninternate in Bonn, Euskirchen, Ettal, Meppen, Loburg, Vechta, betrieben von verschiedenen Orden, in der Zeit zwischen 1950 bis in die 1980er-Jahre hinein. Gemeinsam war allen Internaten eine Gewalt, die auch über das damals Übliche hinausging, in einigen Internaten gingen die Gewaltverhältnisse fließend über in sexuellen Missbrauch.

Wie lässt sich die Atmosphäre beschreiben, die in den katholischen Internaten Anfang der 1960er-Jahre vorherrschte?

Rolf Cantzen: Es war verregeltes Gemeinschaftsleben ohne Privatsphäre; ein Leben, das sich in Sälen und Gängen abspielte; ein Leben, in dem das schutzlose 10-, 11-, 12-jährige Kind der Willkür der aufsichtführenden Patres ausgesetzt war, der Willkür der zur Aufsicht eingesetzten älteren Schüler und nicht zuletzt der Willkür der Mitschüler; ein Leben, in dem das Beten und Gottesdienste etwa zwei Stunden täglich in Anspruch nahm; ein Leben, in dem man ständig Regeln verletzte, schuldig wurde und deshalb von Strafe und Prügeln bedroht wurde; ein kontrolliertes Leben mit wenig Freizeit und Freiraum; ein Leben, in dem es aber auch Freundschaft und Solidarität gab – einige Texte des Buches streifen auch diesen Aspekt.

Was waren die unmittelbaren psychischen Folgen für die Kinder?

Rolf Cantzen: Ganz unterschiedliche: Oft entstand bei ihnen das Gefühl, von zuhause abgeschoben zu sein, nichts wert zu sein, sich ständig beweisen zu müssen, jede Art scheinbarer Zuwendung annehmen zu müssen, was sie „benutzbar“ machte. Oft wurden die Gewalterfahrungen weitergegeben, oft zogen sich die Jungen innerlich zurück: Flucht in Tagträume, in die Welt von Abenteuerromanen. Oft dominierte das Bemühen, sich reibungslos in eine Gruppe einzupassen, Konflikte zu vermeiden. Die meisten versuchten, sie hart und unangreifbar zu machen, sich an Gefühle der Trauer, der Verlassenheit, des Alleinseins, der Angst nicht zu auszuliefern.

Und mit welchen langfristigen Folgen haben die ehemaligen Internatszöglinge zu kämpfen?

Rolf Cantzen: Das reicht von den kleinen eher lächerlichen Macken, die die Autoren im Internatsleben verursacht glauben, bis hin zur lebensbeeinträchtigenden psychischen Krankheit. Ein extrem missbrauchter Schüler aus „meinem“ Internat wurde nach mehreren Klinikaufenthalten und dauerhaften ambulanten traumatherapeutischen Behandlungen mit Mitte 40 Frührentner. Einige berichten von starken Situationskontrollbedürfnissen, von Bindungsproblemen, Angstzuständen, dem zwanghaften Drang, sich über beruflichen Erfolg Anerkennung und Bestätigung zu sichern und vieles andere mehr.

Folgen, die in den vorliegenden autobiografischen Texten nicht zur Sprache kommen, und die auch die Autoren nicht betreffen, sind die, dass die Opfer ihrerseits zu Tätern werden. Wenn man gründlicher zum sexuellen Missbrauch recherchiert, stößt man auf diese zerstörerische Kettenreaktion. Spätestens hier ist es für mich kaum noch auszuhalten, wenn Kirchenvertreter mit standardisierten Betroffenheitsbekundungen und 10.000 Euro Schadensersatz reagieren und suggerieren, bei den Tätern handele es sich um Einzelpersonen, deren Verhalten in keiner Weise mit der Institution und ihrer Ideologie in Zusammenhang stünde.

Die ehemaligen Internatsinsassen berichten von Denunziation, Mobbing und abstoßendsten Gewaltmaßnahmen, die sie selbst erdulden mussten oder bei Mitschülern miterlebten. Was davon war spezifisch katholisch und was jener Lebenssituation geschuldet, die einer der Autoren „gleichgeschlechtliche Zusammenrottung“ nennt?

Rolf Cantzen: Es gibt in Deutschland keine kritische pädagogische oder psychologische Internatsforschung, auf die ich mich beziehen könnte. Zum Zusammenhang zwischen dem „Katholischen“ und den repressiv-gewaltsamen Strukturen kann ich deshalb nur Vermutungen äußern. Hinweise finde ich in dem Zusammenhang von Demut als (christlicher) Tugend und Demütigung (als christlicher Leidenschaft): Demut wird von den Zöglingen verlangt: Gehorsam, Unterordnung, das Sich-Integrieren in die Gemeinschaft, die Rücknahme individueller Wünsche und Interessen, die Hinnahme von Kontrollen und Strafen. Wer diese Demut aktiv fordert und durchsetzt, demütigt und erniedrigt.

Verbunden bleibt diese Demut/Demütigung mit dem spirituellen Hintergrund: Es reicht nicht, sich formal oder äußerlich zu fügen, auf die innerliche, seelische „Sauberkeit“ kommt es an und die wird wiederum erzwungen: Wer sich nicht fügt, ist sündig und schuldig. Am Ende drohen ewige Höllenqualen. Kontrolle und Entlastung bietet die Beichte, oft bei den Patres, die für die eigene Überwachung zuständig waren. „Katholisch“ ist vielleicht auch die Rechtfertigung, dass der, der demütigt, sauber bleibt. Es geschieht alles, um die sündigen Jungen von allem Bösen zu befreien. Der Misshandler liebt sogar seine Jungen – in diesem Sinne argumentiert auch ein Pater, der sexuell missbraucht hat. Er kontrolliert seine Sündigkeit, lenkt sie in verzeihbare Bahnen, indem zum Beispiel der zuständige Pater das Onanieren begleitet und daran teilnimmt.

Die Schutzlosigkeit der Internatssituation liefert die Zöglinge in besonderer Weise aus und das nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Zu beachten ist auch: Die Zöglinge glaubten tatsächlich, an einen fürsorgenden Gott und auch daran, dass die prügelnden Patres diesen repräsentierten. Das Diktum „Geweihte Hände schlugen dich“ wurde schauerlich ernst genommen. Die Schuld des Geschlagenen wuchs damit.

Stefan Gruner, der in seinem Text von „gleichgeschlechtlicher Zusammenrottung“ spricht, zielt letztlich damit auf die Reproduktion bestimmter Vorstellungen von Männlichkeit. Diese „Männlichkeit“ bestätigt sich durch brutale Prügeleien und Gewalt, durch das Tabu, Emotionen zu zeigen, Empathie zu bekunden, Mitleid zu äußern. Auch das pubertäre gegenseitige Wichsen musste frei sein von Zuneigung und Sympathie, schon allein deshalb, weil die Jungen nicht schwul sein wollten. Schwulsein widersprach dem heterosexistischen Männlichkeitsideal. Stefan Gruner beschreibt, dass es deshalb nicht einmal zu wirklichen Freundschaften zwischen den Zöglingen kam. Was Freundschaften anbelangt, waren meine Erfahrungen andere, vor allem als wir älter wurden und die Rigidität des Internatslebens nachließ und Freiräume entstanden. Die emotionale Sprachlosigkeit kann ich allerdings bestätigen.

Mehrfach fällt der Begriff „schwarze Pädagogik“. Wie lässt sich deren katholische Variante beschreiben?

Rolf Cantzen: „Schwarz“ ist postkolonial konnotiert. Deshalb die Anführungszeichen – „schwarze Pädagogik“. Es war eine Pädagogik, die sich nicht mit angepasstem Verhalten zufrieden gab, die sich nicht damit zufrieden gab, den Willen der Zöglinge zu manipulieren, sondern aktive Teilnahme am eigenen Unterdrückungsprozess verlangte. Das spezifisch Katholische könnte man im Zusammenhang von Sünde, Kontrolle (der liebe Gott sieht alles), Strafe und Vergebung sehen. Wenn etwa beim Fußballspielen an nicht dafür vorgesehenen Orten eine Fensterscheibe zu Bruch ging, ging es nicht um eine nachvollziehbare Wiedergutmachung des Schadens, sondern um Strafe: Eine Ohrfeige – allerdings eine, die den Zögling gegen die Wand taumeln ließ. Danach galt die Angelegenheit als erledigt. „Katholisch“ war auch die Körper- und Sexualfeindlichkeit, die paradoxerweise auch dazu diente, sexuelle Übergriffe zu rechtfertigen: Es gibt sie nun einmal, die böse Sexualität, warum sie also nicht in die Hand eines Mannes Gottes legen, der sie gleichsam im Missbrauch und in der Gewalt exkulpiert.

Waren die sexuellen Übergriffe nur der Gipfel eines insgesamt übergriffigen Systems oder eine Besonderheit, die sich aus dem Internat nur eingeschränkt erklären lässt?

Rolf Cantzen: Wer demütigt, dem geht es nicht nur darum, einen Zögling der „totalen Institution“ einzuverleiben oder aus ihnen fromme katholische Schäfchen zu machen, sondern es geht auch um Unterdrückung, um die Ausübung von Macht, genauer um den Genuss der Macht, um die Lust an der Macht. Und diese Machtlust erstreckt sich häufig auch auf den sexuellen Bereich zumal in katholischen Internaten jede zwischenmenschliche Sexualität tabuisiert war (und die solitäre selbstverständlich auch). Es geht um „sexualisierte Gewalt“ und wo die Sexualisierung beginnt, lässt sich nur schwer bestimmen. Die Texte des Buches legen nahe, dass es fließende Übergänge gibt.

Ergänzend möchte ich aber betonen, dass nicht die Institution gewalttätige Erziehungsmittel diktierte, sondern das einzelne Patres mit oft sadistischen Persönlichkeitsstrukturen das praktizierten, was sie als ihre Erziehungsaufgabe verstanden. Das Problem der Institution war es, dass sie solchen Personen freie Hand ließ und diejenigen, die dann „über die das Ziel hinaus schossen“, als böse Einzeltäter verurteilte und es bis heute vermeidet, zu fragen, weshalb es in Internaten und in der katholischen Kirche so viele „Einzeltäter“ gab – und zwar weltweit. Die Berichte aus Irland, den Niederlanden, den USA, Kanada lassen das Ausmaß erahnen, in dem diese Gottesmänner im Schutz der Internate und des Katholizismus sich an Kindern vergangen haben.

Was führt dazu, dass sich die Betroffenen selbst im Kreis vertrauter Personen erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach den Geschehnissen offenbaren?

Rolf Cantzen: Ich denke – und das gilt vermutlich sowohl für die, die nur verprügelt wurden ebenso wie für die, die auch sexuell missbraucht wurden – es ist die Scham, dass man das hat mit sich machen lassen, dass man sich nicht gewehrt hat, dass man sich nicht hat aus dem Internat werfen lassen, dass man nicht geflohen ist. Mit zunehmendem Alter verzeiht man sich das vielleicht eher. Oder man entschließt sich zu der Erkenntnis, weshalb man sich nicht wehren wollte oder konnte. Es gibt andere Gründe: Die Eltern, die einen in dieses Internat gesteckt haben, sind inzwischen verstorben. Man muss sie nicht belasten. Ein anderer Grund: Die Betroffenen waren es gewohnt, dass man ihnen nicht glaubte. In ihrer Kindheit galten Priester als unangreifbar. Die Betroffenen glaubten sich oft auch im Erwachsenenalter selbst nicht, oft auch deshalb nicht, weil das Scham und Auseinandersetzungen ersparte. Es ist bequemer, sich selbst auf die Haltung festzulegen: Es ging halt damals etwas rauer zu, das ist der Zeit geschuldet, heute sind wir schlauer, aber mir hat das damals nicht geschadet.

Und natürlich: Die ersten öffentlichen Tabubrüche initiieren eine Auseinandersetzungen mit dem, was mehr oder weniger erfolgreich verdrängt wurde. Klar wurde mir bei meinen Recherchen: Bekannt wird nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich passiert ist. Mir stellt sich immer wieder die Frage: Wenn jemand so massiv und raffiniert vergewaltigt hat, wie in den wenigen bekannten Fällen, was ist da sonst noch alles geschehen? Ich kann es nicht glauben (und Sexualwissenschaftler auch nicht), dass solche Täter nur einen oder zwei Jungen missbraucht haben und dann drei Jahrzehnte nicht aktiv waren.

Liegt in der Scham auch die Erklärung dafür, dass sich die meisten Opfer offenbar nicht gewehrt haben?

Rolf Cantzen: Ja: Scham; die Erwartung, dass einem nicht geglaubt wird; die Angst, die Eltern zu enttäuschen; die Angst, zu weich, zu kindlich, zu dumm zu sein; die Befürchtung, ein Versager zu sein, undankbar zu sein gegenüber den Eltern, die es schwer genug haben.

Nun hat es ja nicht alle oder zumindest nicht alle Schüler in gleichem Maße getroffen. Gab es eine Disposition, die bestimmte Kinder bevorzugt zu Opfern des Systems werden ließ?

Rolf Cantzen: Oft waren es wohl die, die etwas am Rand standen, die nicht integriert und anerkannt waren in der Gruppe, die schulische Probleme hatten. Die Texte des Buches geben hierauf keine eindeutige Antwort.

Trotz aller Traumata haben es zumindest die im Buch versammelten Autoren im bürgerlichen Leben fast alle zu etwas gebracht. Warum haben sie das trotz ihrer „Beschädigungen“ geschafft? Oder handelt es sich hier um das Kriegsveteranenphänomen, dass nur die Überlebenden berichten?

Rolf Cantzen: Ich denke, es kommen meistens mehrere Aspekte zusammen. Der erste entspricht dem „Kriegsveteranenphänomen“: Es sind Personen, die es in ihren eigenen Augen irgendwie geschafft haben. Der erfolgreiche Unternehmer, Schuldirektor, Unternehmensberater, Journalist, Therapeut. Dann aber: Einige Autoren haben Berufe, die sie dazu zwangen, sich mit sich auseinanderzusetzen: Psychologen, Psychotherapeuten, Pädagogen. Ein dritter – relativierender – Aspekt: Nicht alle empfinden sich als „traumatisiert“. Ergänzend möchte ich hinzufügen: Gesprochen habe ich mit traumatisierten Ex-Zöglingen, die keinesfalls im bürgerlichen Leben erfolgreich waren. Ein vierter Aspekt ist nicht weniger wichtig: Viele Ex-Zöglinge leben und arbeiten in der Nähe der Internate, sind brave Konservative und gläubige Kirchgänger. Die, die hier schreiben, haben sich meistens deutlich entfernt von ihrer Herkunft.

Was mich bei der Lektüre irritiert hat: Warum wenden sich manche Opfer bei ihrer Suche nach Hilfe ausgerechnet an die Kirchen?

Rolf Cantzen: Das hat mich auch sehr irritiert. Auf meine (wohl auch verletzend-ironischen) Nachfragen erklärten mir diese Autoren das damit, dass sie auch positive Erfahrungen gemacht hätten mit Kirche und Kirchenfunktionären. Das heißt: Sie sehen keinen Zusammenhang zwischen der Institution und dem Handeln einzelner, sondern individualisieren die Prügler und Vergewaltiger, sehen also keinen direkten Zusammenhang zwischen (katholischer) Institution und dem Handeln dieser Menschen. Ferner betonen sie, dass sie selbst noch gläubig seien, und – das ist ein weiterer Aspekt – dass ein Hass oder eine Wut auf die Institution der Täter sie zu sehr fixiert und ihnen Energien nimmt. Andererseits: Meine – um es vorsichtig zu sagen – ablehnende Haltung analysierten sie als unbewältigte Traumatisierung. Ich neige dazu, ihnen recht zu geben.

http://hpd.de/node/13453

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22. August 2012 3 22 /08 /August /2012 21:27

Diakonisches-Werk-Spende-150812.jpg

 

Ich hab' mal nachgefragt

 

Bundesverband Diakonie - Vorstand Sozialpolitik

Frau Maria Loheide

Reichensteiner Weg 24, 14195 Berlin

Telefax: 030 830 01777

 

Meine Spende an die Diakonie – Ihr Schreiben vom 16. August 2012

 

Sehr geehrte Frau Loheide!

 

Nachdem ich den Bericht in „evangelisch.de“, 

http://aktuell.evangelisch.de/artikel/3119/diakonie-kaempft-mit-millionenloch?destination=node/3119

laut Impressum auf der Homepage „ein Produkt des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik“, http://www.evangelisch.de/impressum noch einmal gelesen habe, glaube ich in diesem Fall nicht an „den Nachteil, dass Positionen oder Sachverhalte nur verkürzt zum Ausdruck kommen können“. Was hat das eine Evangelische Werk davon, das andere falsch zu zitieren? Ihre Pressesprecherin wird in dem Internetartikel wie folgt wiedergegeben: „Auch hohe Reisekosten wegen der zwei Standorte Berlin und Stuttgart sowie die Einzahlung in den Heimkinderfonds hätten den Haushalt zusätzlich belastet, sagte Burbach-Tasso dem Evangelischer Pressedienst (epd)“. „evangelisch.de“ wird sich diese entscheidenden Fakten sicher nicht ausgedacht haben. 

Wollen Sie etwa einen Flop Ihrer Pressesprecherin der ach so bösen Presse in die Feder schieben?

Meine Erfahrungen aus dem Umgang des Diakonischen Werkes mit Ihren Heimopfern haben mich gelehrt, dass Ihr Haus selbst oft mächtig an der Wahrheit und Klarheit vorbeigeschliddert ist. So denke ich beispielsweise an die kosmetischen Formulierungen, die Ihr Ex-Diakoniepräsident Kottnik zur Zwangsarbeit in vielen Kinder- und Erziehungsheimen gefunden hat. Die Liste der öffentlichen Falschaussagen der Diakonie auf allen Ebenen ist viel zu lang, als dass jede Falschmeldung und Falschformulierung an dieser Stelle aufgeführt werden könnte. Auch das Wirken des Diakonie Bundesverbandes am „Runden Tisch Heimerziehung“ hat den Opfern Ihrer Einrichtungen noch einmal zusätzlich geschadet. Wer Hand in Hand mit den Tischnachbarn am RTH die drei schwächlichen Opferverteter - ohne Mandat der meisten Opfer - (meine Höflichkeit verbietet es, zu schreiben: „über den Tisch gezogen hat“) benachteiligt und die Almosen-Empfehlungen des RTH mit entschieden hat und heute lautstark öffentlich verteidigt, diktiert keine missverständlichen Fakten in Reporterblöcke. 

Ihre Einrichtung wurde erneut zum Täter, weil sie dazu beigetragen hat, dass Ihren Opfern Widergutmachung, Schmerzensgeld, Sicherung des Lebensabends nach verkorkster Kindheit und Jugend verweigert wird und sie stattdessen mit lächerlichem Schweigegeld abgespeist werden sollen. 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Siehe auch: Rettet die Diakonie! Tätervertreter brauchen die Unterstützung der Opfer!

 http://helmutjacob.over-blog.de/article-rettet-die-diakonie-tatervertreter-brauchen-die-unterstutzung-der-opfer-106381738.html 
 

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4. August 2012 6 04 /08 /August /2012 13:57

Dierk Schaefers Blog

Klar, Gedenkstätten sind keine Entschädigung.

Posted in heimkinder, Pädagogik, Kirche, Theologie, Psychologie, Politik, Kinderrechte, Geschichte, Menschenrechte by dierkschaefer on 2. August 2012

»Die Gedenkstätten, die an die Gräuel des Nationalsozialismus erinnern, stehen aktuell vor ähnlichen Problemen. Die Zeitzeugen, die durch ihr eigenes Schicksal Schülern diese Zeit näherbringen können, verschwinden nach und nach. Manche Einrichtungen arbeiten deshalb jetzt mit gefilmten Interviews. „Wir wollen aber nicht, dass die Zeitzeugen auf kurze Videoclips reduziert werden“, betonte Shaun Hermel aus dem Vorbereitungsteam der Gedenkstätte.«

http://www.haz.de/Hannover/Aus-den-Stadtteilen/West/Experten-debattieren-ueber-Konzept-der-Gedenkstaette

 

Klar, Gedenkstätten sind keine Entschädigung. Aber sie sind wichtig. Nicht nur, um irgendeine Erinnerung wachzuhalten, sondern aus diesem Erinnern Schlußfolgerungen für aktuelles und zukünftiges Verhalten zu ziehen.

 

Klar ist auch, daß die Musealisierung vergangener Greuel um so problemloser vonstatten gehen kann, wie die Verantwortlichen für die Greuel – wie auch die Opfer – selber „museal“ geworden sind.

 

Das ist mit den Greueln in den staatlichen und kirchlichen pädagogischen Einrichtungen jedweder Art jedoch anders.

· Noch leben die Opfer – und einige Täter.

· Noch existieren einige Firmen, die Nutznießer von Kinderzwangsarbeit waren.

· Noch gibt es Einrichtungen in direkter Nachfolge der damaligen Mißhandlungsstätten.

Da fällt es schwer einzugestehen und lebendig zu halten, was damals geschah, noch schwerer, wenn die Gründerväter mancher Anstalten diskreditiert sind, aber dennoch in Ehren gehalten werden sollen.

 

Gewiß ist einiges an Erinnerungsarbeit geleistet worden, sogar am unsäglichen Runden Tisch. Ein Bischof hat sich lang vor den Altar gelegt und um Verzeihung gebeten, ein anderer hat einen Versöhnungsgottesdienst gehalten mit den ehemaligen Heimkindern, die sich dafür hergegeben haben.

 

Die Crux ist nur, daß diese Erinnerungsarbeit stattfand, anstelle von …

Anstelle von angemessenen Entschädigungen für…

· … von Kindern- und Jugendlichen geleistete Zwangsarbeit, ohne angemessene Bezahlung und ohne Sozialversicherung.

· … nicht gebotene Bildung und Ausbildung.

· … systematisch herbeigeführte Schädigungen an Leibern und Seelen dieser Kinder durch Demütigungen und Mißhandlungen, auch sexueller Art.

· … systematische Unterlassung der Aufsicht in den Heimen.

· … Ignorierung und Bagatellisierung der Verbrechen.

· … viele durch den Heimaufenthalt verpfuschte Lebensverläufe.

· … den „Verlust“ Gottes, in dessen Namen man handelte

 

Solange Entschädigungsleistungen verweigert werden, ist Erinnerungsarbeit Heuchelei.

Zumal …

· … diese Erinnerungen in einer Vielzahl der Homepages der Nachfolgeeinrichtungen ausgespart oder schamhaft in den Hintergrund geschoben werden.

· … keine interne Erinnerungsarbeit geleistet wird. Wo bleibt die theologisch-pädagogische Bearbeitung von Kindeswohl-Verletzungen, die in Übereinstimmung mit den theologisch-pädagogischen Prinzipien der Einrichtungen standen? Hier geht es um die Doppelmoral von Sonntagspredigt und Alltagshandeln, um Demütigung, Schmalspurbeschulung, „Arbeitstherapie“ und Mißhandlungen, also um die Systematik kirchlicher pädagogischer Arbeit. Lediglich die Sexualverbrechen gehören hier nicht her, denn die waren auch in diesem System „Sünde“, die allerdings gnädig zugedeckt wurde.

· … meines Wissens die Heimverbrechen noch nicht Eingang gefunden haben in die sozialpädagogische Ausbildung.

 

Wenn es also nach dem Willen von Rundem Tisch, Parlament, Staat und Kirchen schon keine Entschädigungen geben soll: Wo bleibt die Aufarbeitung der Verbrechen, die der Wiederholung vorbeugt?

 

Hier könnte die Gedenkstättenarbeit Vorbild sein. Für begleitende peinliche Aufwallungen sind nicht die Opfer verantwortlich. Die Peinlichkeit der einen ist die Pein der anderen. Nur mit schonungsloser Offenheit und Lernbereitschaft kann man in den erforderlichen Dialog eintreten. Vielleicht würde man dann auch erkennen, daß man für die Vergangenheit auch zahlen muß.

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/02/klar-gedenkstatten-sind-keine-entschadigung/

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19. Juli 2012 4 19 /07 /Juli /2012 23:45

Kommentar19.07.2012 · Nr. 13783

Deutschland, deine Kinder

 

(hpd) Sie sind die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft und sollten vor schädlichen Einwirkungen geschützt werden: unsere Kinder. Dieser Grundsatz scheint jedoch deutschen Politikern fremd, ob grün, ob schwarz, ob rot: Sie beugen sich religiösen Angriffen auf das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit unserer Kleinsten. Wir sollten umdenken, fordert Thomas Jeschner.

Im Sommer 1986 radelte Renate Künast wohl täglich zum Berliner Abgeordnetenhaus, nachdem sie ein Jahr zuvor über die Alternative Liste hineingewählt worden war. Als studierte Juristin nahm sie sich der Themenkomplexe Bürgerechte, Strafrecht und Ausländerrecht ein. Ob sie damals auch etwas von Kinderrechten gehört hat, ist nicht überliefert. An den Ampeln stehend, konnte sie aus den Autoradios wochenlang einen Hit hören. Herbert Grönemeyers Aufforderung, Kindern die Macht zu überlassen.

Anfang Januar 1986 reichte Angela Merkel ihre Dissertation mit dem wegweisenden Titel „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“ am Zentralinstitut für physikalische Chemie (ZIPC) der Akademie der Wissenschaften der DDR ein. Eine schriftliche Arbeit mit dem Titel „Was ist sozialistische Lebensweise?" war Bestandteil dieser Dissertation. Noch im selben Jahr hatte die geborene Ostdeutsche das Glück, für ein paar Tage in die Bundesrepublik zu reisen. Grönemeyers Lied lief auf allen Kanälen.

Sigmar Gabriel war vielleicht zu dieser Zeit sogar ein wenig neidisch auf sie. Als Mitglied des Braunschweiger Bezirksvorstandes der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken war es für ihn ein Leichtes, in den Osten zu schauen. Er war nah an der Grenze. Vielleicht hörte er sogar Ostradio. Grönemeyers Lied lief auf jeden Fall 1986 auch dort.

Dieter Graumann begeisterte sich zu dieser Zeit für den Sport und begann sich für die Idee der Makkabi zu begeistern, dem jüdischen Turn- und Sportverband. Dem Lied „Kinder an die Macht“ ist auch er nicht entkommen.

Vielleicht hat sie alle vier Grönemeyers Lied nachhaltig geschädigt mit dieser Naivität, die es in den Hochzeiten des Kalten Krieges propagierte. Sie empfanden es vielleicht gar als Verantwortungslosigkeit, unmündigen Menschen genau diese Verantwortung von Macht zu zuschreiben. Ach, hätten sie sich da doch auch Bettina Wegners Lied „Sind so kleine Hände“ von 1978 angenommen. Heute jedenfalls zeichnen diese vier sich inmitten einer großen Schar weiterer Politiker vor allem dadurch aus, dass sie Kinder nicht vor der Macht schützen, sondern sie ausliefern. Weiterhin in bester deutscher Tradition.

Wer streitet heute für die Kinder? Wer stellt sich für sie gegen einen Sturm aus Tradition und Erwachsenentreue? Aktuell niemand aus der politischen Schar. Kinder sind in Deutschland wohl weiterhin die Verfügungsmasse von Erwachsenen. Traditionell war das schon immer so. Das römische Recht des Vaters, über das Leben des Kindes zu entscheiden (ius vitae et necis), ragt immer noch in Teilen in das Denken und Handeln der Menschen. Es verschwindet so wenig, wie die apokalyptische Denkmatrix, die von einem absoluten, numinosen Dualismus von „Gut“ und „Böse“ ausgeht. Wen wundert es da, dass genau die Propagandisten dieser Idee von der konsequenten Trennung von Körper und Geist, hinter der sich auch die Vorstellung einer uns bevorstehenden unvermeidlichen Apokalypse steckt, das Kind noch immer im Besitz der Eltern wähnen und die Rechte der Kinder nicht nur weniger gewichten, sondern wie in der jetzigen, schaurigen Debatte um die Berechtigung der Beschneidung von Jungen im Kleinkinderalter, diese mit keiner Silbe erwähnen. So als ob es die verpflichtende UN-Kinderschutzkonvention nicht gäbe. In Artikel 24 (3) heißt es darin so schön: „Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“ Für deutsche Politiker ist die Gesundheit des Kindes aber etwas, das den Vorstellungen der Eltern und den „Wahrheiten“ von Lobbyisten religiöser Kulte nicht schaden darf.

Kinder sind dann keine heranwachsenden Menschen mehr, sondern nur noch „ zu formendes Material“.

Seit Jahren quält sich die deutsche Gesellschaft durch den Sumpf der Heimerziehung in Ost und West und den institutionalisierten Missbrauch von Abertausenden Schutzbefohlener im Namen einer höheren Ordnungsmacht. Täterorganisationen sitzen an Runden Tischen und diktieren Journalisten und den Opfern von Zwangsarbeit, Ausbeutung und sexueller Gewalt die „Wahrheit“ in den Block.

Entschädigungszahlungen bewegen sich, wie auch bei den Zahlungen an die Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges ab dem Jahre 2000, in einem rein symbolischen Bereich. Hier von Entschädigung zu sprechen, verbietet sich von selbst. Die Summen sind ethisch nicht hinnehmbar, während den Schreibtischtätern auf Steuerkosten weiterhin ihre Paläste renoviert werden.

1970 versteckte der SWR für knapp ein Vierteljahrhundert einen Film über die Zustände in deutschen Jugendheimen im Giftschrank, weil die Drehbuchautorin sich in einer anderen Sache strafbar machte. „Bambule“ wurde erst 1994 gezeigt. Da war Ulrike Meinhof, die Autorin und spätere Terroristin, schon 18 Jahre tot. Ulrike Meinhof argumentierte damals im Jahr 1970, dass es besser sei zu handeln, als nur in einem Film die Missstände aufzuzeigen und somit nur zu ästhetisieren. Dass sie zur Terroristin wurde, ist nicht nur tragisch und im Namen der Opfer auch ein falsche, inakzeptable Konsequenz, es ist auf heute auch nicht übertragbar. Heute für die Rechte von Schutzbefohlenen aktiv und politisch einzutreten, führt nicht in den Terrorismus. Es führt in den Rechtsstaat. Soviel müssten wir doch von all den sozialen und bürgerrechtlichen Bewegungen in Ost und West gelernt haben.

Warum aber reden Frau Merkel, Herr Graumann, Frau Künast und Herr Gabriel unisono immer nur davon, die ideologisierte, fest gefügte Welt der Erwachsenen  über die der Kinder zu stellen? Eine Welt, die natürlich anders aussehen wird, wenn die heutigen Kinder selbst diese aktiv und als mündige Bürger gestalten werden.

Kinder werden in Deutschland in der Werbung verwurstet. Ihre Gesichter dürfen für politische Parolen erhalten. Es gibt eigene Casting-Shows für diese Altersgruppe. Geld verdienen andere daran. Kinder werden als das definiert, was ihre Eltern sind. Doch ist ein Kind von Eltern, die Mitglied der SPD sind, ebenfalls ein Sozialdemokrat? Eine Tradition kann es so begründen.  Als Metzgermeister in vierter Generation hat man gemeinhin ein Interesse, den Laden von der eigenen Mischpoke weiterführen zu lassen. Doch was, wenn die Kinder morgen lernen, dass die Welt größer ist als das Geschäft des Vaters? Ein Insistieren auf die Prägekraft durch die Erziehung der Eltern verkennt hier absichtlich die Dynamiken unserer Gesellschaft. Vorurteile, und seien sie erst recht positiv und auf sich selbst bezogen, machen es uns leicht, Kinder fest zu binden. Sie so werden zu lassen, wie wir es wollen. Wie wir sind.

Um ein Gegenbeispiel aus eigener Erfahrung zu nennen: Mein Schwiegervater ist nach dem Krieg als Flüchtlingskind in einer Gartensiedlung nahe einer Großstadt gelandet. Die Geschichten seiner Kindheit sind, wie die so vieler anderer Menschen dieser Zeit, geprägt von einer permanenten Abwesenheit uniformer Männlichkeit, Macht und Tradition. Ich kenne kaum einen über 70-jährigen, der so viel Unabhängigkeit und so viel schelmischen Stolz in sich trägt, wie diesen Mann.

Was wollen wir unseren Kindern aber wirklich bieten? Wer sollen sie werden? Eine traurige Kopie von uns selbst? Geschlagen, beschnitten? Immer noch instrumentalisiert für eigene Vorstellungen? Mit dem Wissen von heute?

Mit diesen Politikern auf jeden Fall. Apokalyptisch geprägte, dualistisch denkende Entscheider, die die Freiheit des Individuums mehr fürchten, als die vielfältige und nicht nur körperliche Gewalt, die von auf Tradition begründete Gruppen zum Zwecke der Erhaltung dieser Gruppe immer ausgeht.

 

Bettina Wegner - Sind so kleine Hände

Sind so kleine Hände

winz´ge Finger dran.

Darf man nie drauf schlagen

die zerbrechen dann.

Sind so kleine Füße

mit so kleinen Zeh’n.

Darf man nie drauf treten

könn´ sie sonst nicht geh’n.

Sind so kleine Ohren

scharf, und ihr erlaubt.

Darf man nie zerbrüllen

werden davon taub.

Sind so kleine Münder

sprechen alles aus.

Darf man nie verbieten

kommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augen

die noch alles sehn.

Darf man nie verbinden

könn´ sie nichts mehr sehn.

Sind so kleine Seelen

offen ganz und frei.

Darf man niemals quälen

gehn kaputt dabei.

Ist so´n kleines Rückgrat

sieht man fast noch nicht.

Darf man niemals beugen

weil es sonst zerbricht.

Grade, klare Menschen

wär´n ein schönes Ziel.

Leute ohne Rückgrat

hab´n wir schon zuviel.

http://hpd.de/node/13783

 

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15. Juli 2012 7 15 /07 /Juli /2012 16:47

Die Präsentationen der Heimopfer im Internet

Vorbemerkung:

Was verstehe ich unter Tätervertreter? Dies sind die Verantwortlichen, die in der Rechtsnachfolge einer bereits bestandenen und noch heute bestehenden Institution stehen, in der Menschen tätig waren, die durch ihr Denken und Handeln anderen Menschen gegenüber zu Tätern wurden. In den drei Nachkriegsjahrzehnten waren dies – bezogen auf den Heimkinderskandal - gelernte und ungelernte Mitarbeiter in Einrichtungen, in denen Kinder oder Jugendliche zu erzieherischen und/oder schulischen Maßnahmen oder zur Pflege untergebracht waren. Zu Tätern wurden sie meist durch die Ausübung physischer und psychischer Gewalt und/oder durch den sexuellen Gebrauch ihnen Anvertrauter. Es waren aber auch die Verantwortlichen in den heiminternen oder kommunalen und staatlichen Aufsichtsorganen, die durch ihr Wegschauen verbrecherische Taten ermöglichten. Der Begriff „sexueller Missbrauch“ impliziert, dass es einen tolerierten sexuellen Gebrauch geben könnte. Nach meinem Verständnis ist allerdings jede sexuell motivierte Zuwendung zu einem Anvertrauten bereits ein Missbrauch.

Während die Täter in der größten Zahl bereits verstorben sind, die Institutionen, in denen derartige Verbrechen stattfanden, sich teils umetikettierten (aus den Anstalten wurden Stiftungen, aus den Anstaltsleitern Stiftungsleiter oder -sprecher), stehen und bleiben die heutigen Heimleitungen in der Rechtsnachfolge der schon zuvor vorhandenen Einrichtungen.

Der Weg vom Tätervertreter zum Täter ist recht kurz. Macht man sich mit den Taten und/oder Tätern gemein, schützt man sie gar, verharmlost man die Taten, unterschlägt man Akten, manipuliert man den Diskussionsprozess im Rahmen der Aufarbeitung zugunsten der Einrichtungen, bedroht man gar Opfer, widmet man ihnen nicht die notwendige Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit und das mitfühlende Verständnis, um die erfahrene Gewalt durch die Täter teils kompensieren zu können, wenigstens jedoch erträglicher werden zu lassen, wird man schnell zum Täter. Man übt dann zwar keine direkte psychische, physische oder sexuelle Gewalt aus, aber man verhindert die umfangreiche Bestrafung der Täter, Rehabilitation der Opfer, Sühne und Wiedergutmachung der Straftaten durch die Täter, die Rechtsnachfolger und andere Verantwortliche. Im Rahmen der Aufarbeitung der Verbrechen in den drei Nachkriegsjahrzehnten am „Runden Tisch Heimerziehung“ (RTH), von 2008 bis 2010, wurde von vielen infragekommenden Rechtsnachfolgern, aber auch am RTH selbst, manipuliert, unterschlagen, verharmlost, Begriffe umdefiniert, bedroht („Wenn ihr nicht zustimmt, platzt die ganze Arbeit“ oder ähnliche Formulierungen) und damit das gewünschte Ergebnis in der Form umgelenkt, dass die Täter, die Nachfolgeorganisationen, die Aufsichtsbehörden und die Träger von Einrichtungen weitgehend von ausreichenden Wiedergutmachungsansprüchen verschont werden. Der Opferfonds von 120 Mio. Euro, aufgeteilt auf wahrscheinlich noch 500.000 Überlebende der Heimhöllen (auch solcher, die am RTH kein Gehör fanden, wie z.B. Säuglinge, Behinderte oder in die Psychiatrie Eingewiesene), ergibt eine Entschädigungssumme von 240 Euro pro Opfer. Davon aus dem Opferfonds abgezogen wurden bekannterweise 10 % für administrative Aufgaben, so dass statistisch gesehen jedes Opfer 216 Euro Entschädigung erhält.

Zum Thema: Vor einigen Tagen las ich in einem Diskussionsforum, dass die Administratoren ihre Arbeit in andere Hände übergeben, zumindest erheblich einschränken wollen. Wenn sich keine Nachfolger finden, die die Verwaltung des Forums übernehmen, wird auch diese Opferplattform bald der Vergangenheit angehören. Schon einmal wurde auf einer wichtigen Opferseite die Arbeit eingestellt. Es ist die Homepage von Klaus Klüber www.ex-heimkinder.de. Erfreulicherweise hat Klüber seine Homepage geöffnet gelassen, so dass die alten Beiträge alle nachgelesen werden können. Gelegentlich finden dort noch Eintragungen statt. Gelegentliche Eintragungen sind auch im Forum der Diakonie lesbar. Der letzte Eintrag soll von Ende Juni dieses Jahres sein. Auch das Forum der Diakonie war einst sehr beliebt und wurde von Opfern aber auch wohlmeinenden Sympathisanten frequentiert. Sie alle wurden – das muss einmal so drastisch ausgedrückt werden – „zum Teufel gejagt“. Liest man die Einträge aus der Zeit 2008 bis 2010, erkennt man blanke psychische Gewalt anderen Menschen, selbst anderen Opfern gegenüber. Beleidigungen, die meist umgehend vom Homepagebetreiber gelöscht wurden und Drohungen mit juristischer Verfolgung gaben sich die Klinke. Mitte 2008 wurde dieses Forum geschlossen und auf Initiative zweier dort engagierter Schreiber Ende des Jahres 2008 wieder geöffnet. Das Engagement seitens der Opfer ließ jedoch erheblich nach und auch die Sympathisanten verabschiedeten sich aus dem Forum.

Heute ist mir bis auf das erst genannte Forum, das in andere Hände übergeben werden soll, kein aktives Forum (mit täglichen Eintragungen) bekannt. Viele Aktive haben sich in geschlossene Gruppen von Facebook zurückgezogen oder ihre Aktivitäten völlig eingestellt. In der Öffentlichkeit bekannt sind noch die Homepage der „Freien Arbeitsgruppe JHH 2006“, das Blog des Pfarrers im Ruhestand Dierk Schäfer aus Bad Boll, die Homepage des nach Australien ausgewanderten ehemaligen Heimkindes Martin Mitchell, die Homepage Betroffener von sexualisierter Gewalt „netzwerkB“ unter Federführung von Norbert Denef. Denef ist allerdings vor 38 Tagen in den Hungerstreik getreten. Wenn sein Hungerstreik ihm gesundheitlich zusetzt, ist auch diese Plattform gefährdet.

Die Tätervertreter mögen sich die Hände reiben. Die Klagen der Opfer verstummen. Die schreibenden Opfer sind größten Teils untereinander zerstritten, viele „Kämpfer“ sind müde oder wurden zerrieben, ihnen Wohlgesonnene haben sich anderen Aufgaben zugewandt, die Presse berichtet nur noch sporadisch über das Thema Gewalt in den Nachkriegsjahrzehnten.

Man möchte deprimiert sein angesichts des Gefühls, dass die Strategie der Tätervertreter, nämlich das Aussitzen der Vergangenheitsschuld und Abwarten der biologischen Lösung, aufgehen könnte. Noch drei, fünf, vielleicht zehn Jahre, und das Kapitel „Heimerzierung in den Nachkriegsjahrzehnten“ gehört der Vergangenheit an.

EHK-News1.jpg

Blog von "MeaCulpa"

Aber noch ist es nicht soweit. Neue Seiten tun sich auf im großen World Wide Web. Seit 30. Mai dieses Jahres ist das Blog „http://ehk-news.over-blog.de/“ im Netz. Es ist ein „Tagebuch“, über das der Betreiber – der auch unter dem Pseudonym „MeaCulpa“ Beiträge ins Internet stellte - schreibt: „Auf diesem Blog werden wir alle geplanten Demos, Proteste oder Treffen der ehemaligen Heimkinder bekannt geben, soweit wir davon unterrichtet werden. Des weiteren bringen wir alle Nachrichten ueber ehemalige Heimkinder und verwandte Themen.“. Seitdem sind dort täglich aktualisierte Informationen abrufbar. Das Blog informiert über Aktivitäten von in der Aufarbeitung Aktiven und bildet einen Pressespiegel ab, der die Themen rund um den Begriff Gewalt dokumentiert. In der Kategorie „Berichte“ sind bereits 296 Einträge zu finden. In der rechten Leiste finden sich Links zu Foren, Blogs und Homepages von ehemaligen Heimkindern oder in dem Thema Engagierter. Über 10.000 Seitenaufrufe in 1 ½ Monaten zeigen, wie sehr dieses Blog angenommen wird. Die erste Seite zeigt aber auch, dass noch zahlreiche Blogs und HP’s im Netz geschaltet sind. Sehr umfangreich ist auch seine Fotogalerie aus verschiedenen Ländern, darunter 929 Fotos aus der Bundesrepublik, unter anderem auch von der Demonstration der Heimopfer am 15. April 2010 in Berlin: http://meaculpa.piwigo.com/

ehk-Besucher-150712.jpg  Seitenaufrufe Blog von "MeaCulpa"

Auch andere Seiten habe immer mal wieder das Thema „Heimkinder“ auf der Agenda. Genannt sei hier der „Humanistische Pressedienst“ (hpd) mit http://hpd.de/. Herausgegeben wird das Blog von einem Trägerverein, dem derzeit zehn Privatpersonen angehören.

Aufmerksam geworden bin ich auch auf die Seite „Gewaltüberlebende Christinnen & GottesSuche - Glaube nach Gewalterfahrungen (Ökumenische Arbeits- und Selbsthilfegruppe)“ mit der Seiten-URL: "http://www.gottes-suche.de/". Unter dem Button „Kirche und Gewalt“ sind die Kategorien „Sexuelle Gewalt und katholische Kirche“ und „Dokumente aus Gesellschaft und Politik“ aufrufbar. Während in der erstgenannten Kategorie Pressemitteilungen rund um das Thema sexuelle Gewalt zu finden sind, liest man in der zweiten Aufsätze und Ausarbeitungen zum Thema. Der Link zu den Ausführungen von Prof. Manfred Kappeler zur Arbeit des „Runden Tisches Heimerziehung“ führt bedauerlicherweise zu einer Fehlermeldung. Ansonsten ist auch das Blog eine überwältigende, ständig sprudelnde Informationsquelle.

Ausruhen können sich die Tätervertreter und die moralisch Verantwortlichen längst noch nicht. Einige Blogs verschwinden, neue kommen hinzu. Einige Internetforen werden zwar stillgelegt, sind aber noch einsehbar. Das Thema wird neu entdeckt und neu verfolgt, wie die zwei letztgenannten Blogs beweisen. Diese Hartnäckigkeit spielt den Opfern in die Hände. Es sind gerade die, denen die Gabe des Schreibens oder das Artikulieren, Aussprechen ihrer Erlebnisse nicht gegeben bzw. möglich ist, es sind die stummen Heimopfer, beispielsweise die in den Heimen untergebrachten Säuglinge und schwerstbehinderten Kinder, die von der permanenten Aufbereitung und Aktualisierung des Themas profitieren. Diese Hartnäckigkeit der Enthusiasten rührt sicher auch daher, dass sie selbst darunter leiden, es zumindest empörend finden und als einen Skandal betrachten, dass Wiedergutmachungs- und Schmerzensgeldleistungen bisher kategorisch abgelehnt werden. Auch die moralisch verantwortlichen Instanzen, Evangelische Kirche und Diakonie, Katholische Kirche und Caritas, der Bund, die Länder mit ihren Landschaftsverbänden, die Kommunen, werden mit dieser öffentlichen Aufarbeitung der Verbrechen immer wieder konfrontiert und an ihre moralische Pflicht erinnert.

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12. Juli 2012 4 12 /07 /Juli /2012 16:17

Guxhagen/Kassel, 26.6.2012: Grausam ging es hier oft zu, im Kloster Breitenau, das im Jahr 1113 in Guxhagen erbaut wurde. Heute ist es nicht nur Gedenkstätte für diejenigen, die 100 Jahre lang bis 1973 hier gelitten haben, sondern auch Standort der documenta 13 -- 20 Kilometer von der Weltkunststadt Kassel entfernt.

http://www.youtube.com/watch?v=oZcKwXg03B4&feature=player_embedded#t=0s

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