Overblog
Folge diesem Blog Administration + Create my blog
1. Mai 2013 3 01 /05 /Mai /2013 12:45

 

Hilfe für Opfer sexueller Gewalt – jetzt!

Im November 2011 forderte der Runde Tisch„Sexueller Kindesmissbrauch“, dass, wo immer Übergriffe gegenüber Mädchen und Jungen geschehen, mit null Toleranz dagegen vorgegangen werden muss.Er empfahl, die Leiden der Opfer sexueller Gewalt besser wahrzunehmen und anzuerkennen. Er setzte sich zum Ziel, die Opfer künftig angemessen zu beraten und zu versorgen.

Bislang sind jedoch keine konkreten Verbesserungen erkennbar. Der Hilfsfonds, in den Bund und Länder 100 Millionen Euro einzahlen wollten, ist bis heute nicht einge- richtet. Aktuell drohen die Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindes- missbrauch“ aus der öffentlichen Wahrnehmung und von der politischen Agenda zu verschwinden.

 Der 22. Deutsche Psychotherapeutentag fordertdeshalb all jene auf, die bei der Um- setzung der Empfehlungen des Runden Tisches in der Pflicht stehen, ihre Zusagen und Selbstverpflichtungen endlich umzusetzen. Es muss alles daran gesetzt werden, dass möglichst wenig neues Leid entsteht.

 

Quelle: PDF-Datei 

 http://gewalt-im-jhh.de/hp2/Runder_Tisch_sexueller_Missbra/Resolution_22.DPT_Hilfe_fur_Opfer_sexueller_Gewalt_jetzt-1.pdf


 

Diesen Post teilen
Repost0
21. April 2013 7 21 /04 /April /2013 13:52

Pressemitteilung vom 20.04.2013  10:10:56

Franz Sales Haus Essen - Kinderheimopfer - WDR-Filmteam darf Gelände der Einrichtung nicht betreten

Heimkinderverband unterstützt Projekt "Filmreihe Ehemalige Heimkinder" 

(News4Press.com) 

Derzeit erstellt der WDR Bonn eine Serie mit ehemaligen Heimkindern, die während ihres Heimaufenthaltes in den Jahren von 1960 bis 1975 schwer misshandelt und sexuell missbraucht wurden. Durch die Weigerung der Pressesprecherin des Franz Sales Hauses, Valeska Ehlert, dem WDR zu gestatten auf dem Gelände des Heimes zu drehen, liegt die Vermutung nahe, dass die Einrichtung an einer Aufklärung der schweren Verwürfe nicht interessiert ist. 

Alle ehemaligen Heimkinder und Betroffene von Kinder- und Jugendheimen in Deutschland sind eingeladen am Montag, den 22. April, gegen 11.15 Uhr vor dem Franz Sales Haus, Essen, (Haupteingang), Steelerstraße 261 durch ihre Anwesenheit Solidarität zu zeigen und die Filmaufnahmen zu unterstützen. ...

http://www.news4press.com/Franz-Sales-Haus-Essen---Kinderheimopfer_735980.html

Diesen Post teilen
Repost0
19. April 2013 5 19 /04 /April /2013 15:38

Ca. 4700 Euro pro Opfer –Kniefall vor der ehemaligen Vorsitzenden des Rundes Tisches? 

 Unter der Überschrift „Ein Jahr Beratung für Betroffene der Heimerziehung“ teilt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in seiner Pressemitteilung vom 13.03.2013 bemerkenswertes zum Opferfonds für mißhandelte Heimkinder in den zwei Nachkriegsjahrzehnten mit: 

„Seit dem 1. Januar 2012 haben sich über 850 Betroffene an die Anlaufstelle beim LWL gewandt, um Beratung und Unterstützung zu bekommen.“ Konkreter fügt der LWL an: „Über 700 Vereinbarungen hierzu seien bereits geschlossen worden, ... . So hat der Fonds über 3,3 Millionen Euro für Anträge aus Westfalen gezahlt. Die Betroffenen bekommen das Geld entweder als Ersatz für fehlende Rentenversicherungszeiten ausgezahlt, wenn sie während ihrer Heimunterbringung arbeiten mußten, oder sie bekommen Sachleistungen wie spezielle Therapien finanziert.“ (1)

Der LWL läßt offen, welche Beträge er konkret für sogenannte Rentenersatzleistungen und für sogenannte Sachleistungen aufbringt. Auch ist nicht ersichtlich, wieviel Zahlungsempfänger lediglich sogenannte Rentenersatzleistungen, wie viele lediglich Sachleistungen und wie viele Kombinationsleistungen erhalten. Auch läßt der Landschaftsverband aus, wieviel Prozent der Antragsberechtigten sich bei der regionalen Anlauf- und Beratungsstelle gemeldet haben. 

Ein wenig Statistik deckt die Ablehnung des Opferfonds auf:

Ca. 55.800.000 Bürger lebten zwischen 1960 und 1970 in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin West. (2) Wieviel Bürger davon in Nordrhein-Westfalen lebten, läßt sich nur abschätzen. Eine Statistik über die „Bevölkerungsentwicklung in den deutschen Bundesländern“ gibt für das Jahr 1995 ca. 17.900.000 Bürger an. 11,75. (3)

LWL1.jpg

In den Einzugsbereich des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe fallen heute ca. 8.300.000 Einwohner. (4) Dies ist etwas weniger als die Hälfte der Gesamtzahl der Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die Gesamtzahl der Einwohner von Westdeutschland einschließlich West Berlin betrug 1995 etwa 66.340.000. Dies ist eine Steigerung gegenüber der Bevölkerung in den 60er Jahren um ca. 21%. Um den Bevölkerungsanteil für den Einzugsbereich des LWL realistisch zu schätzen, muß von der vom LWL aktuell angegebenen Zahl von ca. 8.300.000 Einwohnern ca. 21% abgezogen werden. Es verbleiben für die 60er Jahre ca. 6.557.000 Einwohner im Einzugsbereich des LWL. Dies entspricht etwa 11,75% der Gesamtbevölkerungszahl in den 60er Jahren. 

Von 47000 NRW-Opfern bekommen 700 Leistungen aus dem Fonds

In der Öffentlichkeit ist die Zahl von etwa 800.000 Heimopfern der zwei Nachkriegsjahrzehnte bekannt. Nicht eingerechnet sind die Opfer in den Heimen der Behindertenhilfe, den Säuglings- und Kleinkinderheimen und denen der Psychiatrie. Setzen wir die falsche Opferzahl von 800.000 voraus, sind Schätzungen nicht abwegig, daß von ihnen noch etwa 400.000 leben. Auf den LWL in Münster entfallen somit 47.000 Opfer. Laut LWL wurde lediglich mit 700 Betroffenen „Vereinbarungen“, welcher Art auch immer, getroffen. Das ist 1,4893617%. Es bleibt festzuhalten, daß 1,5 % aller Opfer des Einzugsbereiches des LWL Hilfen erhalten haben. Für sie wurden etwa 3,3 Mio. Euro ausgegeben, was einem Durchschnittsbetrag von ca. 4714 Euro entspricht.

Kommentar: 

Das Ergebnis ist erbärmlich und gleicht dem der anderen Bundesländer. Der Opferfonds wird nicht akzeptiert. Beweggründe dafür sind das schwierige Antragsverfahren für Sachleistungen und die Meinung vieler Heimopfer, sich nicht erneut demütigen lassen zu wollen. In zwei Umfragen wurden eindeutig Opferrenten von monatlich 300 Euro oder eine Einmalzahlung von 54.000 Euro gefordert. 

Es ist bezeichnend, daß der LWL - wie andere Anlaufstellen in anderen Bundesländern auch - verheimlicht, welche Beträge er bisher für sogenannte „Sachleistungen“ und welche für sogenannte „Rentenersatzleistungen“ ausgegeben hat. Das Bild im Internet stellt sich in der Form dar, daß die meisten Anträge wohl die Rentenersatzleistungen betreffen. Hier winkt bares Geld, nämlich 300 Euro pro Monat Zwangsarbeit. So werden, laut Berichten einzelner Opfer, bis zu 13.000 Euro ausgeschüttet. Unter diesem Aspekt ist die Negativbilanz des Operfonds noch vernichtender. Das Ziel therapeutischer Hilfen beispielsweise wurde nicht erfüllt. Das macht auch keinen Sinn. Bei einer Höchstgrenze von 5.000 Euro, wie von der ehemaligen Tischvorsitzenden Antje Vollmer gefordert – alles Höhere wäre nach ihrer Meinung eine Brüskierung der jüdischen Zwangsarbeiter der NS-Zeit - , könnten gerade mal 60 Therapiestunden finanziert werden. (5) Angesichts der Verbrechen, die viele ehemalige Heimkinder erdulden mußten und die sie bis heute traumatisieren, ist diese Stundenzahl oft nicht ausreichend. Ein mir bekanntes Opfer brauchte über 200 Stunden, bis es einigermaßen stabilisiert war.

Die Rechnung der ehemaligen Tischvorsitzenden geht auf. Im Durchschnitt zahlte der LWL bisher ca. 4700 Euro. So geht auch der LWL vor Antje Vollmer in die Knie. Dies ist der  Landschaftsverband, der die Heimaufsicht in vielen Fällen offensichtlich nicht ausgeübt und damit einen Beitrag geleistet hat, daß diese Verbrechen stattfinden konnten. Über dieses Versagen auch des LWL geben beispielsweise die Homepages der „Freien Arbeitsgruppe JHH 2006“ Auskunft. (6;7)

Hier von Entschädigung zu sprechen oder zu schreiben - wie es immer wieder gern auch von Journalisten getan wird -, ist 1. dumm, weil mit diesem Almosen das Leid nicht ansatzweise entschädigt werden kann und 2. unanständig: Solche unüberlegte Wortwahl stellt eine weitere Misshandlung der Opfer dar.

(1) http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?29080#.UWm3-6LhKuL

(2) http://pdwb.de/deu50-00.htm

(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerungsentwicklung_in_den_deutschen_Bundesl%C3%A4ndern

(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Landschaftsverband_Westfalen-Lippe

(5) http://www.readers-edition.de/2011/06/28/runder-tisch-vollmer-von-allen-heimkindern-verlassen/

(6) http://gewalt-im-jhh.de/

(7) http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/index.html

      Zur Information: bis 31.12.2012 gaben beide NRW Landschaftsverbände 335.000,00 Euro für materielle Leistungen aus.

 

Bis 14. 2. 2013 gab Baden-Württemberg für das Gleiche 354.061,85 Euro aus.

Man kann für Westdeutschland bis Ende April 2013 wohl mit ca. 4-4.5 Millionen Euro von 100 Millionen rechnen. Kein Kommentar!

 

Und selbst diese lächerlichen Beträge werden mit gewollter Verzögerung ausgezahlt. Nach "Schlüssigkeitsprüfung" im Kölner Bundesamt und schriftlicher Mitteilung darüber an den Antragsteller wird dort dem hausinternen Haushaltsreferat die Auszahlungsanordnung übermittelt, was ohne zeitliche Verzögerung erfolgt. Das Haushaltsreferat ist z.B. bei der Zahlung im Bundesfreiwilligendienst gehalten, jeden Monat am 24. die Datensätze elektronisch an die Bundeskasse zur Auszahlung zu übermitteln. Die Bundeskasse in Trier überweist dann mit Wertstellung zum 30. des Monats.

 

Dieses Procedere gibt es jedoch bei materiellen Leistungen nicht, vielmehr dürfte eine Anordnung im Haushaltsreferat existieren, die Auszahlungsanordnung einige Wochen (meist mindestens drei Wochen, oft fünf bis sechs Wochen) zu ignorieren und erst dann die betreffenden Datensätze an die Bundeskasse zur Überweisung zu übermitteln.

 

Hier ist die Öffentlichkeit gefragt, sich an den Leiter des Haushaltsreferates zu wenden und eine Stellungnahme einzuholen.

Kommentarnr1 gepostet von Christian Nekvedavicius

Lanschaftsverband Westfalen-Lippe, Heimkinder, Heimopfer, Johanna-Helenen-Heim Volmarstein, Opferfonds, Antje Vollmer, Gewalt, Vergewaltigung, psychische Gewalt, Zwangsarbeit, medizinische Versuche, Opferentschädigung, Opferrente

Diesen Post teilen
Repost0
1. April 2013 1 01 /04 /April /2013 23:31

WDR-Magazin „Westpol“: Nach dem Heimkinderskandal: Auch Psychiatrieopfer der 50er und 60er Jahre klagen an

Westpol © WDR

Nach dem Skandal um Misshandlungen in Heimen der 50er und 60er Jahre in Deutschland fordern nun auch Kinder, die damals in der Psychiatrie Opfer von Gewalt geworden sind, Entschädigung. Im Interview mit dem WDR-Magazin WESTPOL schätzt Peter Schruth, Ombudsmann der ehemaligen Heimkinder, dass in den 50er und 60er Jahren zwischen 8.000 und 15.000 Kinder in den Kinder- und Jugendpsychiatrien Gewalt ausgesetzt waren. 

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Gewalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie System hatte. „Sie ist auf jeden Fall strukturell verankert gewesen“, so Dr. Thorsten Noack vom Institut für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gegenüber WESTPOL. „Das heißt sie ist sicherlich eine alltägliche Erfahrung von Patientinnen und Patienten gewesen.“ Dr. Thorsten Noack forscht derzeit zur Geschichte der Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Institutionen des Landschaftsverbandes Rheinland seit 1945.

Jürgen Schubert, 67, hat als Kind in der Psychiatrie Gewalt erlebt. Er war von 1949 bis 1964 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marsberg im Sauerland. „Das war hart. Schon als Kind merktest du das, dass man nie wieder ein Bein an die Erde kriegte.“ Gegenüber WESTPOL berichtet er von Schlägen, Zwangsmedikation und Isolation in Einzelzellen.

Auch der Dortmunder Wolfgang Petersen, 60, ist als Kind in der Psychiatrie misshandelt worden. „Einmal wurde ich also dann auch am Bett den ganzen Tag fixiert. So dass ich nicht auf Toilette gehen konnte“, so Wolfgang Petersen gegenüber WESTPOL. „Dann kriegte ich noch mal Prügel, weil ich ins Bett gemacht hatte.“ Darum hat er sich entschieden im Namen aller Betroffenen eine Petition an den Bundestag zu schicken. 

Peter Schruth unterstützt die Petition der Psychiatrieopfer. Er fordert die Verantwortlichen zum Handeln auf. „Sie haben sich jetzt dem Thema zu stellen. Die Runden Tische wie sie waren reichen nicht aus. Sie haben das Thema ausgespart“, so Peter Schruth im Interview gegenüber WESTPOL. „Das Thema muss untersucht werden – die Gesellschaft muss eine politische Anerkennung des Leids und des zugefügten Unrechts aussprechen und es müssen Leistungen mit den Betroffenen abgestimmt werden. Leistungen, die sie brauchen, die ihnen weiterhelfen, die ihnen Erleichterung geben. Und jetzt sind der Bundestag, sind die Länder, sind die Kirchen dazu aufgeordert endlich die Tür zu diesem Thema aufzumachen.“ 

Mit Quellenangabe Westpol (Sonntag, 3.3.2013, 19:30) ab sofort zur Veröffentlichung frei.

Siehe auch:

 

Über die Kinderpsychiatrie Schleswig hier:

Diesen Post teilen
Repost0
30. März 2013 6 30 /03 /März /2013 16:10

Vorstellung des Buches von Ulrike Winkler: „’Es war eine enge Welt’ Menschen mit Behinderungen,  Heimkinder und Mitarbeitende in der Stiftung kreuznacher diakonie, 1947 bis 1975“ , Bielefeld 2012 (= Schriften des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte, Band 22).

Kreuznachbuch-Titel

Vor mir liegt das Buch und ich empfehle es schon jetzt, obwohl ich gleich zu Beginn Kritik zu üben habe.

Der Buchtitel sagt nämlich zunächst wenig aus. In der Retrospektive war jeder Zeitabschnitt ein beengender, eingrenzender. Da ist das erste der nunmehr drei Bücher, in denen versucht wird, die Verbrechen an behinderten Kindern in evangelischen Heimen zu dokumentieren, in der Überschrift deutlicher: "Gewalt in der Körperbehindertenhilfe - Das Johanna-Helenen- Heim in Volmarstein von 1947 bis 1967" (1). So der Titel des Erstlingswerkes des Autoren-Duos Dr. Ulrike Winkler, Politikwissenschaftlerin, Berlin und Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, Historiker, Bielefeld (2). Hier erkennt der Interessent die Thematik, so, wie sie auch im nachfolgenden, zweiten Werk der beiden Autoren ablesbar ist: „’Als wären wir zur Strafe hier’ Gewalt gegen Menschen mit geistiger Behinderung – der Wittekindshof in den 1950er und 1960er Jahren“ (3).

Dieses Buch ist trotzdem uneingeschränkt zu empfehlen, weil es als drittes Werk, verfasst von Ulrike Winkler, einmal mehr versucht, die Verbrechen in Heimen evangelischer Behinderteneinrichtungen anhand von wenigen Akten und wenigen Zeitzeugen zu rekonstruieren und zu dokumentieren. Damit trägt es dazu bei, aufzuzeigen, dass die Behauptung von „Einzelfällen“ ebenso eine Gewalt an den Opfern darstellt. Inzwischen kann getrost davon ausgegangen werden, dass in allen Heimen der Diakonie Gewalt an behinderten Kindern ausgeübt wurde. Damit werden, auch Dank Winkler/Schmuhl, die Schlussfolgerungen des „Runden Tisches Heimerziehung“ ad absurdum geführt und der lächerliche Opferfonds als Almosenzahlstelle deklassiert. In der Zweit- oder Drittauflag dieser drei genannten Bücher sollte ein Kapitel hinzugefügt werden: Der Umgang der Rechtsnachfolger dieser diakonischen Einrichtungen mit der Vergangenheitsschuld und eventuelle Entschädigungsbemühungen.

Winkler.jpgEmpfehlenswert ist das Buch auch und nicht zuletzt darum, weil sich Ulrike Winkler nicht ins Konzept hineinreden und nicht manipulieren lässt. Diese Gefahr steht immer im Raum und findet ihre Bestätigung in vielen entsprechenden Versuchen. Hat man bei einigen anderen ähnlichen Büchern anderer Autoren das Gefühl, ein Gefälligkeitsattest zu lesen, ist hier ganz klar Sachlichkeit, Nüchternheit, aber auch (was einem Wissenschaftler nicht verboten werden darf) eine gewisse Kritik erkennbar. Beispielhaft sei hier auf das Résumé zu der Arbeit über die Verbrechen in Volmarstein verwiesen (4).

Die Gliederung des nun vorzustellenden  Buches über die Gewalt in der Stiftung kreuznacher diakonie ähnelt denen der beiden anderen angeführten Bücher (5).

Zunächst lesen wir das Geleitwort der Stiftung kreuznacher diakonie, dass man getrost überlesen darf. Es ähnelt dem Strickmuster diakonischer Einrichtungen: Wir waren ein bisschen böse; - „In den Kapiteln dieses Buches finden Sie Berichte über Gewalt, sexuellen Missbrauch und Demütigungen. Wir lesen sie mit großer Betroffenheit und Scham.“; - „Für erfahrenes Unrecht und Verletzungen bitten wir um Vergebung.“; - aber es waren die Zeitumstände mit mangelndem und unqualifiziertem Personal (Wobei ganz vergessen wird, dass sich die Unternehmen preislich unterboten haben, um die Betten belegt zu bekommen. Bei diesem Preiskampf bleibt die Qualität zwangsläufig auf der Strecke.). Wenige Sätze später - und damit sich bei den Opfern ja kein Hoffnungsschimmer entwickelt - wird die Bremse durchgetreten: „Geschehenes Unrecht können wir nicht wieder gut machen.“ Damit ist das Thema Schmerzensgeldzahlungen, Entschädigung, Absicherung des Lebensendes nach verpfuschter Kindheit, vom Tisch gefegt. Dafür werden die Leser und damit auch lesende Opfer noch einmal ermahnt: „Wo Menschen sind, kann es zu Gewalt kommen.“, und darum dürfe die Stiftung kreuznacher diakonie „’nicht aufhören anzufangen’ – zu einer ‚Kultur der Achtsamkeit’ zu kommen.“

Es folgt der pastorale Teil mit der erstaunlichen Erkenntnis: „Jesus von Nazareth lehnt in der Bergpredigt konsequent jegliche Gewalt ab.“ Donnerwetter, wer hätte das gewusst und warum hing diese Erkenntnis nicht schon vor sechzig Jahren in den Büros der Talarträger der Kreuznacher Diakonie schön eingerahmt an der Wand? Den Opfern wäre manches erspart geblieben.

Unter der Überschrift „Quelle und Methodik“ ist zu erfahren, dass 12 ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner befragt wurden, von denen allerdings 2 es ablehnten, dass die Interviews aufgezeichnet werden. Ferner wurden 6 ehemalige Mitarbeiter/innen befragt. Interessant die Fußnote: „Für die Arbeit in den 1940er und 1950er Jahren in Alt-Bethesda konnte keine Schwester mehr befragt werden. Allerdings standen hier entsprechende Akten zur Verfügung. Ähnliches gilt für das Kinderheim Zoar in Rechtenbach. Eine Gesprächspartnerin zog ihr bereits gegebenes Interview zurück, zudem verweigerte sie die Verwendung ihrer Schilderungen als Hintergrundinformationen. Ihrem Wunsch wurde entsprochen, sie wurde daher auch nicht in die Liste aufgenommen.“ Den Fussnoten sollte insgesamt besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil sie das Bild über die Einrichtung abrunden.

Schon im zweiten Kapitel, ab Seite 53, kommen die Opfer zu Wort, wird ihr bisheriger Lebensweg nachgezeichnet, die erlittene Gewalt, ihre Gefühlslage während dieser von Gewalt beherrschten Zeit, ihr Umgang mit dem Erlebten in den Jahrzehnten danach beschrieben. Die Platzierung dieses Themas in der ersten Hälfte des Buches wurde von der Autorin bewusst gewählt. In dem Buch „Endstation Freistatt“ (6) sind der Historiker Schmuhl und die Politikwissenschaftlerin Winkler mit ihren „Gastbeiträgen“ über die Erlebnisse von Jugendlichen in Heimen der Anstalten Bethel bei Bielefeld erst ab Seite 153 vertreten. Bis dahin wird der Leser von Mitarbeitern der Einrichtung mehr oder weniger manipulativ unterhalten und ermüdet. In diese Richtung zielt das Geleitwort zum Buch über Freistatt von Anstaltsleiter Ulrich Pohl (Pohl ist allerdings nicht der einzige Anstaltsleiter, der nach meinem Empfinden versucht, die Vergangenheit durch den Weißwaschgang der Anstaltsgeschichte zu spülen (7).

Wer das Vergnügen hat, das Buch von Ulrike Winkler als Textdatei vor sich zu haben, dem kann bald die Freude über diese Arbeitserleichterung vergehen. Gebe ich den Begriff „Gewalt“ in die Suchmaske ein, wird sie mir dermaßen komprimiert aufgetischt, dass ich stellenweise um Fassung ringen muss. Das Wort ist über hundertmal zu finden; der Begriff „Missbrauch“ immerhin auch dreizehnmal und dahinter steht sexuelle Gewalt in den unterschiedlichsten Formen.

Beschrieben wird aber auch die Gewalt unter den Heimbewohnern selbst und gegenüber den Mitarbeitern. Der Leser erfährt auch – und das war in vielen anderen Heimen ebenso selbstverständlich – dass diese Taten entweder unter den Teppich gekehrt oder anstaltsintern behandelt wurden, wobei die Mitarbeiter meist mit einer Abmahnung davonkamen. Schon aus diesem Grunde fühlen sich viele Opfer noch heute mitschuldig an den an ihnen verübten Vergehen.

Das Buch ist für 19 Euro im Buchhandel zu beziehen. Das ist ein moderater Preis, der es auch Opfern sowohl der Einrichtung wie auch anderer Heime, die heute in großer Zahl wegen ungenügender Ausbildung und fehlenden Berufsmöglichkeiten arm leben, erlaubt, das 256-seitige Werk zu erwerben. Es gehört in jede Ausbildungsstelle für Pädagogen, Psychologen, Pflegekräfte. Insbesondere gehört es in jede Hand eines in einer Einrichtung für Hilflose neu eingestellten Menschen. Dies schon darum, weil damit zu verstehen gegeben wird: Was immer ihr tut, es bleibt nicht unbeobachtet und kann Konsequenzen haben.

Helmut Jacob

28. März 2013

(1) http://gewalt-im-jhh.de/Gewalt_in_der_Korperbehinderte/gewalt_in_der_korperbehinderte.html

(2) http://www.schmuhl-winkler.de/index.html

(3) http://www.readers-edition.de/2011/07/04/als-waeren-wir-zur-strafe-hier-buch-ueber-gewalt-in-einem-behindertenheim/

(4) http://gewalt-im-jhh.de/Bericht_der_Historiker_Prof__S/bericht_der_historiker_prof__s.html

(5) http://www.buchhandel.de/WebApi1/GetMmo.asp?MmoId=2258232&mmoType=PDF&isbn=9783895349423

(6) http://helmutjacob.over-blog.de/pages/Buchempfehlung_Endstation_Freistatt-1328320.html

(7) http://www.readers-edition.de/2012/05/15/eingelullt-und-abgehakt-wie-tatervertreter-ihre-heimopfer-abservieren-wollen/

 

Heimkinder, Heimerziehung, Gewalt, Missbrauch, Vergewaltigung, Evangelische Kirche, Diakonie, kreuznacher diakonie, Stiftung kreuznacher diakonie, 

Diesen Post teilen
Repost0
28. März 2013 4 28 /03 /März /2013 16:31

In den zwei Nachkriegsjahrzehnten hat bekanntermaßen in viel zu vielen Heimen unter kirchlicher Trägerschaft ein Schlachtfest an Gewalt und Psychoterror stattgefunden. Opfer waren und sind noch heute ehemalige Jugendliche, die in sogenannten Erziehungsanstalten untergebracht waren. Zu den Opfern gehören auch behinderte Kinder, die zum Zwecke der Beschulung in Behinderteneinrichtungen kaserniert wurden. Und dann gibt es noch die Gruppe der Opfer, die immer wieder in der Versenkung verschwinden, weil sie wenige oder gar keine Sprachrohre finden. Dr. Carlo Burschel spricht für die Säuglinge in den Heimen. Wer kümmert sich um die in die Psychiatrie eingewiesenen Kinder und Jugendlichen, die von verblödeten Medizinern und Richtern für verrückt erklärt wurden? 

Inzwischen sind etliche Bücher von Opfern selbst, aber auch von Wissenschaftlern, über das Leben dieser ehemaligen Heimkinder erschienen. Ich lese gerade mit gewissem Entsetzen das neueste Buch von Dr. Ulrike Winkler: "„Es war eine enge Welt“ - Menschen mit Behinderungen, Heimkinder und Mitarbeitende in der Stiftung kreuznacher diakonie, 1947 bis 1975". Es zeigt einmal mehr die Gewalt auf, die damals in unzähligen Heimen herrschte. 

Wie gehen die Opfer mit diesen Veröffentlichungen um? Soeben erhielt ich eine schon etwas ältere Email zur Kenntnisnahme:

"Das Buch über unsere Vergangenheit habe ich noch nicht aus der Verpackung genommen. Ich kann mit der Vergangenheit nicht umgehen",

heißt es in dieser Email. Sie macht mich sehr nachdenklich. Zeigt dieser eine Satz doch auf, wie viel Angst vor Retraumatisierungen vorhanden ist. 

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein kleiner Ostergruß an die Besucher dieses Blogs stehen. Ich verzichte darauf, weil mir der Sinn danach nicht steht. Aber ich habe das Bedürfnis, denen, die Angst vor der Konfrontation mit der Vergangenheit haben, zuzurufen: Lasst das Buch zu! Wenn die Zeit eure Wunden nicht heilt, erzwingt diesen Heilungsprozess nicht mit Blicken in solche Veröffentlichungen. 

 

Diesen Post teilen
Repost0
27. März 2013 3 27 /03 /März /2013 22:32

In Briefen schrieb sie: "Für die hl. Kirche u. seine Hirten zu beten u. zu leiden, geht mir über alles." Und: "Mein Gott, ich danke Dir für jede Leidensstunde! Mein Gott, ich liebe Dich!" Oder: "Ich habe keine Viertelstunde im Tag, wo ich nicht’s zu leiden hätte. Täglich darf ich die Nägelspitze des Kreuzes, u. die Stachel der Dornenkrone meines Erlösers mehr oder weniger empfinden."

http://www.zeit.de/2013/14/kirche-glaube-heilige-psychisch-verrueckt

Diesen Post teilen
Repost0
22. März 2013 5 22 /03 /März /2013 16:14

Mein persönlicher "Blick über den Tellerrand" gilt auch immer wieder anderen Homepages. Auf der Seite des "Vereins ehemaliger Heimkinder e.V." fand ich das Chatprotokoll des ZDF zum Film "Und alle haben geschwiegen". Hier kommen Opfer und auch andere Seher dieses Films zu Wort. Danke an den VeH für das Einstellen dieses Protokolls in ihre HP.

 

 

Chatprotokoll zu "Und alle haben geschwiegen"

Sachbuch- und Spiegelautor Peter Wensierski, Drehbuchautorin Andrea Stoll, ZDF-Redakteurin Esther

Hechenberger und die Autorinnen der Dokumentation, Gesine Müller und Anja Kindler standen im

Anschluss an die Sendung zum Chat zur Verfügung. Im Folgenden können Sie das Protokoll

nachlesen:

[zdf]moderator: Guten Abend und herzlich willkommen im Chat zum Fernsehfilm "Und alle haben

geschwiegen"!

Gast319 (Gast): Hallo

 

http://www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/wp-content/uploads/2013/03/zdf-chat.pdf

Diesen Post teilen
Repost0
9. März 2013 6 09 /03 /März /2013 17:58

Dieser Film war schon lange überfällig um der tumben Gesellschaft ein Vorstellung über den Geist in Heimeinrichtungen vor Augen zu führen, in denen die christlichen Werte gemäß den Worten des Bischofs in vorbildlicher Weise umgesetzt wurden.

Doch ja, ich habe mir den Film vom 4. März 2013 angesehen und war von der exzellenten schauspielerischen Leistung überrascht, als auch verblüfft, wie gut dem Regisseur die Authentizität des bedrückenden Heimumfeldes gelungen war, dem einstige Heimkinder hilflos ausgeliefert waren.

Nur fürchte ich, dass die meisten Zuschauer die spürbare Beklemmung als dramaturgische Filmübertreibung wahrgenommen haben. Dabei wurde diese Darstellung von den einstigen Realitäten eher noch übertroffen.

So vermisste ich in diesem Film, die zahlreichen Formen von Herabwürdigungen, etwa von Bettnässern, oder Voraussagen, die den Jugendlichen in schillerndsten Farben ein späteres Leben in der Gosse, als Kriminelle, oder Huren und dergleichen vorzeichneten.

Auch vermisste ich die Darstellung, wie das Personal einzelne oft ältere Kinder/Jugendliche privilegierten, um sie als Hilfsaufseher/innen zu instrumentalisieren, bzw. gegeneinander auszuspielen, oder bewusst sogenannte schwarze Schafe, also besonders schwache Heimkinder ausgesucht wurden, denen alles Mögliche wie Diebstähle angelastet und dafür schwer bestraft wurden, obwohl dafür eher lautstarke Gruppenmitglieder verantwortlich waren.

Wie auch jeder Hinweis auf die gnadenlosen Rangordnungskämpfe untereinander fehlte, etwa um einen Platz zu ergattern, der einem winzigste positive Aufmerksamkeiten einbringen konnte.

Dabei bin ich recht froh, dass wenigstens das Thema Missbrauch außen vor blieb, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass Missbrauch in allen Heimen gang und gäbe war.

In meinem Heim z.B. hatte ich zu meiner Heimzeit noch nicht mal unter der Hand etwas von möglichen Missbrauchsgerüchten gehört.

Dafür fanden sich abends regelmäßig Rocker und Zuhälter vor unserem Heim zu einem Stelldichein zusammen, um die älteren 16-21 jährigen Damen zu beeindrucken, die jedoch über uns eingeschlossen waren.

Einige von Ihnen haben tatsächlich aus dem 2. und 3. Stockwerk heraus versucht, sich mit aneinander verknoteten Bettlaken in die Freiheit abzuseilen.

Eine davon ist leider abgerutscht und hat ihren Drang nach würdevoller Selbstbestimmung mit lebenslänglicher Querschnittslähmung bezahlt.

Von daher war die Szene mit dem Fenstersturz wohl näher an der Realität als einer filmischen Fiktion.

So sehr ich die schauspielerische Leistung aller Filmakteure hervorheben möchte, so halte ich die übertrieben fürsorgliche Sozialarbeiterin in den dargestellten 50er/60er Jahren für völlig unrealistisch.

Denn erst Anfang der 70er Jahre begannen Heimpsychologen/innen lebensfreundlichere Lockerungen durchzusetzen.

Im höchsten Maße bedauerlich empfinde ich die völlig deplazierte Falschdarstellung des Runden Tisches der vorgeblich nur darauf wartete, Stimmen von einstigen Betroffenen in Erfahrung zu bringen.

Gerade so als wüssten sie überhaupt nichts von ihren eigenen zu verantwortenden Gräueltaten gegenüber ihren einstigen Schutzbefohlenen.

Statt dessen hätte ich es sehr begrüßt, wenn die Filmregisseure den Mut gehabt hätten, das schändlich abgekartete Geschacher zwischen Kirchen- und Staatverantwortlichen am Runden Tisch um Wortklaubereien und Wiedergutmachung aufzugreifen, mit dem die ehemaligen Heimkinder um eine echte Rehabilitation und angemessene Entschädigungen betrogen wurden.

Es gibt da schon länger kritische Stimmen unter eher unwissenden Mitbürgern, die ehemaligen Heimkindern unter Hinweis, dass Gewalt zur damaligen Zeit nun mal dem Zeitgeist entsprach, keine Entschädigungszahlungen zugestehen möchten.

Doch diese kennen in der Regel auch nicht den Unterschied zwischen familiärer und institutioneller Gewalt.

Angefangen davon, dass den meisten Mitbürgern kaum bewusst ist, dass Heimkinder ein gesetzlich verankertes Recht zu einer gewaltfreien und förderlichen Erziehung hatten, über das sich die durchführenden Kirchen und überwachenden Staatsorgane in ihrer unheilvollen Symbiose selbstgefällig hinwegsetzten.

Dieses Recht war den einstigen Heimkindern gar nicht bekannt gemacht worden, noch hätten sie eine Chance gehabt, sich an einer Stelle erfolgreich zu beschweren. Schließlich galten Heimkinder per se als Diebe und Lügner, die aus Sicht der Gesellschaft schon etwas ausgefressen haben mussten, um verdientermaßen in einem Heim Zucht und Ordnung beigebracht zu bekommen.

Ein weiterer gravierender Unterschied zur häuslichen und institutioneller Gewalt besteht auch darin, dass Heimkinder im Gegensatz zu Kindern innerhalb ihrer gewalttätigen Familien, ständig im Spannungsfeld permanenter Bedrohung leben mussten.

Sie konnten zu keinen anderen Verwandten flüchten, die sich ihrer verständnis- oder gar liebevoll annahmen. Niemand an den sie sich vertrauensvoll hätten wenden können.

Nichts dergleichen.

Jedes Heimkind war insofern in Unwissenheit der Lage, wie lange ihr Zustand der familiären Trennung noch andauern würde, ständig einsam und völlig auf sich allein gestellt.

Um in der Meute oft schon milieuvorgeschädigter Mitinsassen zu überleben, mussten sie sich geradezu zwangsläufig zu egozentrischen Einzelkämpfern entwickeln. Misstrauisch gegen jeden und alles, denn oft genug war es eben noch Dein Freund, der Dich für eine kleine Aufmerksamkeit an das Personal ans Messer lieferte.

Wer es später nicht schaffte, sich aus dieser eigenen Isolation zurück in die Gesellschaft zu entwickeln, blieb in der Regel das gesamte weitere Leben recht einsam.

Ein weiterer Unterschied zu familiären Kindern die Gewalt ausgesetzt wurden/werden, bestand darin, dass Heimkinder systematisch zur Unselbstständigkeit erzogen wurden, was nach ihrer unvorbereiteten Entlassung zu erheblichen Problemen führte, allein auf sich gestellt gesellschaftlich Tritt zu fassen. Dies hat bis heute zur Folge, dass viele von ihnen, selbst im gesetzten Alter noch immer am sozialen Rand unserer Gesellschaft darben müssen.

Diese Unterschiede konnte der Film natürlich nur schwerlich rüber bringen.

Ich halte den Film jedenfalls für recht gut gelungen, um eine Beklemmung zu erzeugen, die die meisten Zuschauer sicher auch so ähnlich wahrgenommen haben, aber im Gegensatz zu Betroffenen kaum für wahr gehalten haben.

Insofern war der Film nicht schlecht, ABER - er kam leider VIEL ZU SPÄT,

um noch ein breiteres Publikum für die Problematik ehemaliger Heimkinder zu sensibilisieren, oder gar zur Unterstützung von realistischen Entschädigungsleistungen durch Kirchen und Staatsverantwortlichen zu animieren.

Ehemalige Heimkinder verfügen leider über keine öffentlichkeitswirksame Lobby, die sich für ihre Interessen einsetzt.

Daher hätte ihnen eine breite öffentliche Entrüstung zur Durchsetzung ihrer Entschädigungsbestrebungen sicher sehr geholfen.

Doch da dieses ausblieb, bzw. nach der Buchveröffentlichung von Peter Wensierski schon bald wieder abebbte, war es den nachfolgeverantwortlichen Trägern von Kirchen und Staat ein leichtes Spiel, am Runden Tisch selbst über ihre Anteile von Schuld und Sühne befinden zu dürfen.

Zu all diesem neuerlichem Skandal unsere Medien leider wieder beharrlich geschwiegen haben.

Geht es ihnen doch eher um die Vermarktung spektakulärer Sensationen, statt der Gesellschaft durch konkrete Vorschläge und Anreize zu einer Weiterentwicklung zu verhelfen.

So wurden und werden auch weiterhin Opfergruppen zum Ausschlachten öffentlich vorgeführt, um sofort fallen gelassen zu werden, sobald das Thema nichts mehr einbringt.

Siehe Spiegelredakteur Wensieski, der es mit diesem Heimkinderskandal sogar bis zum Bundesverdienstkreuz gebracht hat, aber ebenfalls zu den skandalösen Vorgängen am Runden Tisch schwieg, um dieser Opfergruppe weiter zu helfen angemessen entschädigt zu werden. Wie er auch mit keiner Silbe darauf einging Werbung für einen besseren Schutz für zukünftige Kinder einzugehen, etwa durch ein Pflichtunterrichtsfach, in denen junge Menschen auf ihre spätere Elternrolle vorbereitet werden könnten und damit zu verhindern, dass Kinder wegen Überforderung ihrer Eltern auch heute noch Jahr für Jahr zu Zigtausenden in Heime eingewiesen werden, mit denen die meist klerikalen Träger eine lukrative Leidensverwaltung betreiben, bzw. kaum ein Interesse daran haben können, das der Nachschub an zu betreuenden Kindern abreißt.

Für die einst schwer geschädigten Heimkinder steht heute Im Ergebnis ein Schandfonds, der allenfalls dazu geeignet ist, die ehemaligen Heimkinder mit Sachleistungen zu demütigen, auf die sie nicht mal einen Anspruch erheben können, sondern über bürokratische Anlaufstellen als erniedrigende Bittsteller für Stützstrümpfe, Rolatoren, oder fragwürdige Therapien vorstellig werden dürfen.

Reaktionen seitens unserer Mitbürger blieben nach dem Film ebenfalls aus, sodass davon auszugehen, dass sich am Status Quo des gesellschaftlichen Schweigens und Wegsehens auch weiterhin kaum mehr etwas ändern wird und somit ehemalige Heimkinder um ihr Lebensglück betrogene Menschen bleiben werden, während die verantwortlichen Täterseiten in der monetären Sicherheit ihrer einstigen "Verdienste" selbstzufrieden einen wohligen Lebensabend genießen dürfen.

So bleibt als Fazit festzuhalten:

Der Film war gut, aber ohne einer echten Entschädigung und wahrhaftigen Rehabilitation der Betroffen, bleibt das Thema ehemalige Heimkinder damit auch weiterhin ein offener gesamtgesellschaftlicher Skandal.

Diesen Post teilen
Repost0
4. März 2013 1 04 /03 /März /2013 22:45

In den Vorankündigungen waren bereits einige Warnungen lesbar.

„’Der Film deutet manches an, die Gewalt wird nicht immer offen gezeigt’, erklärt ein weiterer Betroffener. Doris Zander, ZDF-Produzentin, nickt:  ‚Wir wären nicht Primetime-fähig gewesen, wenn wir alles gezeigt hätten.’ Etwa Fälle sexuellen Missbrauchs in den kirchlich geführten Anstalten, ... „

http://www.derwesten.de/staedte/heiligenhaus/schluesselmomente-einer-verlorenen-kindheit-id7672670.html

Warum der Film nicht primetimefähig sein soll, wo doch der Schwesternkanal ARD zur selben Zeit in einigen „Tatort“-Beiträgen große Blutlachen zeigt, kann nicht nachvollzogen werden. Außerdem wurde die Gewalt an Heimkindern lange genug vor der Öffentlichkeit, in die Nacht hinein, versteckt.

„Der Film habe sie beeindruckt, resümiert Regina Eppert, aber eigentlich sei alles viel schlimmer gewesen. ‚Im Film durfte gelacht werden. Gelacht habe ich in der Zeit des Aufenthaltes damals nie’, ..."

http://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Warendorf/Warendorf/Warendorferin-kommt-in-der-Dokumentation-zu-Wort-Schlaege-im-Namen-des-Herrn

Und einige Szenen, insbesondere die Liebeleien, machten den an sich ernsten Film minutenlang lächerlich. Die Zeit hätte man dokumentarischer nutzen können. Beispielsweise hätte man einen Pater zu Wort kommen lassen können, in dem er ein besonderes Verhältnis zum Geschlechtlichen ausdrückt:

„’Zwischen den Schenkeln einer Frau findet sich der Eingang zur Hölle.’

Der Pater, ein beleibter Herr Anfang 70, dessen Blick zwischen Heilsbringer und Dämon changierte, glaubte ganz im Sinne des Ordensgründers Don Bosco zu handeln, wenn er sein krudes Weltbild verbreitete. An einem Abend erklärte er im voll besetzten Speisesaal: ‚Zwischen den Schenkeln einer Frau findet sich der Eingang zur Hölle.’

Wie überhaupt Pater Max, der stets in Kollar und Pullunder auftrat, die Gefühlsregungen seiner pubertierenden Schutzbefohlenen zu unterdrücken wusste. ....“

http://gewalt-im-jhh.de/Blick_uber_den_Tellerrand_3_-_/blick_uber_den_tellerrand_3_-_.html

Und trotzdem war es ein beeindruckender Spielfilm, der die Gewalt, die beängstigende Situation und die Manipulationen am „Runden Tisch Heimerziehung“ andeuteten. Wer klug ist und sich für die Thematik interessiert, gibt in seiner „Suchmaschine“ einfach „Gewalt Heimkinder“ ein. Dort macht er einen Ritt durch die Hölle.

 

Diesen Post teilen
Repost0