In den zwei Nachkriegsjahrzehnten hat bekanntermaßen in viel zu vielen Heimen unter kirchlicher Trägerschaft ein Schlachtfest an Gewalt und Psychoterror stattgefunden. Opfer waren und sind noch heute ehemalige Jugendliche, die in sogenannten Erziehungsanstalten untergebracht waren. Zu den Opfern gehören auch behinderte Kinder, die zum Zwecke der Beschulung in Behinderteneinrichtungen kaserniert wurden. Und dann gibt es noch die Gruppe der Opfer, die immer wieder in der Versenkung verschwinden, weil sie wenige oder gar keine Sprachrohre finden. Dr. Carlo Burschel spricht für die Säuglinge in den Heimen. Wer kümmert sich um die in die Psychiatrie eingewiesenen Kinder und Jugendlichen, die von verblödeten Medizinern und Richtern für verrückt erklärt wurden?
Inzwischen sind etliche Bücher von Opfern selbst, aber auch von Wissenschaftlern, über das Leben dieser ehemaligen Heimkinder erschienen. Ich lese gerade mit gewissem Entsetzen das neueste Buch von Dr. Ulrike Winkler: "„Es war eine enge Welt“ - Menschen mit Behinderungen, Heimkinder und Mitarbeitende in der Stiftung kreuznacher diakonie, 1947 bis 1975". Es zeigt einmal mehr die Gewalt auf, die damals in unzähligen Heimen herrschte.
Wie gehen die Opfer mit diesen Veröffentlichungen um? Soeben erhielt ich eine schon etwas ältere Email zur Kenntnisnahme:
"Das Buch über unsere Vergangenheit habe ich noch nicht aus der Verpackung genommen. Ich kann mit der Vergangenheit nicht umgehen",
heißt es in dieser Email. Sie macht mich sehr nachdenklich. Zeigt dieser eine Satz doch auf, wie viel Angst vor Retraumatisierungen vorhanden ist.
Eigentlich sollte an dieser Stelle ein kleiner Ostergruß an die Besucher dieses Blogs stehen. Ich verzichte darauf, weil mir der Sinn danach nicht steht. Aber ich habe das Bedürfnis, denen, die Angst vor der Konfrontation mit der Vergangenheit haben, zuzurufen: Lasst das Buch zu! Wenn die Zeit eure Wunden nicht heilt, erzwingt diesen Heilungsprozess nicht mit Blicken in solche Veröffentlichungen.