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19. April 2013 5 19 /04 /April /2013 15:38

Ca. 4700 Euro pro Opfer –Kniefall vor der ehemaligen Vorsitzenden des Rundes Tisches? 

 Unter der Überschrift „Ein Jahr Beratung für Betroffene der Heimerziehung“ teilt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in seiner Pressemitteilung vom 13.03.2013 bemerkenswertes zum Opferfonds für mißhandelte Heimkinder in den zwei Nachkriegsjahrzehnten mit: 

„Seit dem 1. Januar 2012 haben sich über 850 Betroffene an die Anlaufstelle beim LWL gewandt, um Beratung und Unterstützung zu bekommen.“ Konkreter fügt der LWL an: „Über 700 Vereinbarungen hierzu seien bereits geschlossen worden, ... . So hat der Fonds über 3,3 Millionen Euro für Anträge aus Westfalen gezahlt. Die Betroffenen bekommen das Geld entweder als Ersatz für fehlende Rentenversicherungszeiten ausgezahlt, wenn sie während ihrer Heimunterbringung arbeiten mußten, oder sie bekommen Sachleistungen wie spezielle Therapien finanziert.“ (1)

Der LWL läßt offen, welche Beträge er konkret für sogenannte Rentenersatzleistungen und für sogenannte Sachleistungen aufbringt. Auch ist nicht ersichtlich, wieviel Zahlungsempfänger lediglich sogenannte Rentenersatzleistungen, wie viele lediglich Sachleistungen und wie viele Kombinationsleistungen erhalten. Auch läßt der Landschaftsverband aus, wieviel Prozent der Antragsberechtigten sich bei der regionalen Anlauf- und Beratungsstelle gemeldet haben. 

Ein wenig Statistik deckt die Ablehnung des Opferfonds auf:

Ca. 55.800.000 Bürger lebten zwischen 1960 und 1970 in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin West. (2) Wieviel Bürger davon in Nordrhein-Westfalen lebten, läßt sich nur abschätzen. Eine Statistik über die „Bevölkerungsentwicklung in den deutschen Bundesländern“ gibt für das Jahr 1995 ca. 17.900.000 Bürger an. 11,75. (3)

LWL1.jpg

In den Einzugsbereich des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe fallen heute ca. 8.300.000 Einwohner. (4) Dies ist etwas weniger als die Hälfte der Gesamtzahl der Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die Gesamtzahl der Einwohner von Westdeutschland einschließlich West Berlin betrug 1995 etwa 66.340.000. Dies ist eine Steigerung gegenüber der Bevölkerung in den 60er Jahren um ca. 21%. Um den Bevölkerungsanteil für den Einzugsbereich des LWL realistisch zu schätzen, muß von der vom LWL aktuell angegebenen Zahl von ca. 8.300.000 Einwohnern ca. 21% abgezogen werden. Es verbleiben für die 60er Jahre ca. 6.557.000 Einwohner im Einzugsbereich des LWL. Dies entspricht etwa 11,75% der Gesamtbevölkerungszahl in den 60er Jahren. 

Von 47000 NRW-Opfern bekommen 700 Leistungen aus dem Fonds

In der Öffentlichkeit ist die Zahl von etwa 800.000 Heimopfern der zwei Nachkriegsjahrzehnte bekannt. Nicht eingerechnet sind die Opfer in den Heimen der Behindertenhilfe, den Säuglings- und Kleinkinderheimen und denen der Psychiatrie. Setzen wir die falsche Opferzahl von 800.000 voraus, sind Schätzungen nicht abwegig, daß von ihnen noch etwa 400.000 leben. Auf den LWL in Münster entfallen somit 47.000 Opfer. Laut LWL wurde lediglich mit 700 Betroffenen „Vereinbarungen“, welcher Art auch immer, getroffen. Das ist 1,4893617%. Es bleibt festzuhalten, daß 1,5 % aller Opfer des Einzugsbereiches des LWL Hilfen erhalten haben. Für sie wurden etwa 3,3 Mio. Euro ausgegeben, was einem Durchschnittsbetrag von ca. 4714 Euro entspricht.

Kommentar: 

Das Ergebnis ist erbärmlich und gleicht dem der anderen Bundesländer. Der Opferfonds wird nicht akzeptiert. Beweggründe dafür sind das schwierige Antragsverfahren für Sachleistungen und die Meinung vieler Heimopfer, sich nicht erneut demütigen lassen zu wollen. In zwei Umfragen wurden eindeutig Opferrenten von monatlich 300 Euro oder eine Einmalzahlung von 54.000 Euro gefordert. 

Es ist bezeichnend, daß der LWL - wie andere Anlaufstellen in anderen Bundesländern auch - verheimlicht, welche Beträge er bisher für sogenannte „Sachleistungen“ und welche für sogenannte „Rentenersatzleistungen“ ausgegeben hat. Das Bild im Internet stellt sich in der Form dar, daß die meisten Anträge wohl die Rentenersatzleistungen betreffen. Hier winkt bares Geld, nämlich 300 Euro pro Monat Zwangsarbeit. So werden, laut Berichten einzelner Opfer, bis zu 13.000 Euro ausgeschüttet. Unter diesem Aspekt ist die Negativbilanz des Operfonds noch vernichtender. Das Ziel therapeutischer Hilfen beispielsweise wurde nicht erfüllt. Das macht auch keinen Sinn. Bei einer Höchstgrenze von 5.000 Euro, wie von der ehemaligen Tischvorsitzenden Antje Vollmer gefordert – alles Höhere wäre nach ihrer Meinung eine Brüskierung der jüdischen Zwangsarbeiter der NS-Zeit - , könnten gerade mal 60 Therapiestunden finanziert werden. (5) Angesichts der Verbrechen, die viele ehemalige Heimkinder erdulden mußten und die sie bis heute traumatisieren, ist diese Stundenzahl oft nicht ausreichend. Ein mir bekanntes Opfer brauchte über 200 Stunden, bis es einigermaßen stabilisiert war.

Die Rechnung der ehemaligen Tischvorsitzenden geht auf. Im Durchschnitt zahlte der LWL bisher ca. 4700 Euro. So geht auch der LWL vor Antje Vollmer in die Knie. Dies ist der  Landschaftsverband, der die Heimaufsicht in vielen Fällen offensichtlich nicht ausgeübt und damit einen Beitrag geleistet hat, daß diese Verbrechen stattfinden konnten. Über dieses Versagen auch des LWL geben beispielsweise die Homepages der „Freien Arbeitsgruppe JHH 2006“ Auskunft. (6;7)

Hier von Entschädigung zu sprechen oder zu schreiben - wie es immer wieder gern auch von Journalisten getan wird -, ist 1. dumm, weil mit diesem Almosen das Leid nicht ansatzweise entschädigt werden kann und 2. unanständig: Solche unüberlegte Wortwahl stellt eine weitere Misshandlung der Opfer dar.

(1) http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?29080#.UWm3-6LhKuL

(2) http://pdwb.de/deu50-00.htm

(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerungsentwicklung_in_den_deutschen_Bundesl%C3%A4ndern

(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Landschaftsverband_Westfalen-Lippe

(5) http://www.readers-edition.de/2011/06/28/runder-tisch-vollmer-von-allen-heimkindern-verlassen/

(6) http://gewalt-im-jhh.de/

(7) http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/index.html

      Zur Information: bis 31.12.2012 gaben beide NRW Landschaftsverbände 335.000,00 Euro für materielle Leistungen aus.

 

Bis 14. 2. 2013 gab Baden-Württemberg für das Gleiche 354.061,85 Euro aus.

Man kann für Westdeutschland bis Ende April 2013 wohl mit ca. 4-4.5 Millionen Euro von 100 Millionen rechnen. Kein Kommentar!

 

Und selbst diese lächerlichen Beträge werden mit gewollter Verzögerung ausgezahlt. Nach "Schlüssigkeitsprüfung" im Kölner Bundesamt und schriftlicher Mitteilung darüber an den Antragsteller wird dort dem hausinternen Haushaltsreferat die Auszahlungsanordnung übermittelt, was ohne zeitliche Verzögerung erfolgt. Das Haushaltsreferat ist z.B. bei der Zahlung im Bundesfreiwilligendienst gehalten, jeden Monat am 24. die Datensätze elektronisch an die Bundeskasse zur Auszahlung zu übermitteln. Die Bundeskasse in Trier überweist dann mit Wertstellung zum 30. des Monats.

 

Dieses Procedere gibt es jedoch bei materiellen Leistungen nicht, vielmehr dürfte eine Anordnung im Haushaltsreferat existieren, die Auszahlungsanordnung einige Wochen (meist mindestens drei Wochen, oft fünf bis sechs Wochen) zu ignorieren und erst dann die betreffenden Datensätze an die Bundeskasse zur Überweisung zu übermitteln.

 

Hier ist die Öffentlichkeit gefragt, sich an den Leiter des Haushaltsreferates zu wenden und eine Stellungnahme einzuholen.

Kommentarnr1 gepostet von Christian Nekvedavicius

Lanschaftsverband Westfalen-Lippe, Heimkinder, Heimopfer, Johanna-Helenen-Heim Volmarstein, Opferfonds, Antje Vollmer, Gewalt, Vergewaltigung, psychische Gewalt, Zwangsarbeit, medizinische Versuche, Opferentschädigung, Opferrente

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