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15. März 2010 1 15 /03 /März /2010 23:56
Veröffentlicht in Kirche, News, heimkinder von dierkschaefer am 15. März 2010

Die Jagd auf den Papst, und was ehemalige Heimkinder mehr interessieren sollte

Die Jagd auf den Papst hat begonnen. Das sieht der Vatikan ganz richtig, so wie er auch Recht hat mit der Meinung, Mißbrauch komme auch in anderen Einrichtungen, besonders in den (heiligen?) Familien vor. In der Tat ist der Papst vom Rang her das edelste internationale „Wild“ in Wald&Flur. Der Grund dafür liegt nicht nur in der jahrhundertealten Tradition der Institution „Kirche“. – Allerdings gehört das trotzige „Ewig steht fest der Kirche Haus …“ zum protestantischen Liedgut (Grundtvig/Riethmüller), hat es aber nicht in die neueren Gesangbücher geschafft.

In der Diskussion wird zur Zeit gern Bezug auf Frau Käßmann genommen, die durch ihren schnellen Rücktritt ihre eigene Integrität und die ihres Amtes erhalten hat. Diese Wahl hat der Papst nicht. Ausschlaggebend für die besondere Qualität des Papst-Amtes ist die antimodernistische Festlegung auf das Dogma der Unfehlbarkeit. Hinter diesen absolutistischen Anspruch kann kein Papst zurück. Doch selbst wenn er zurückträte: seine persönliche Integrität und die seines Amtes haben bereits Schaden genommen und es wird lange dauern, bis die „Unschuld“ des Amtes nachgewachsen ist. Seine Verteidigung des Zölibats, der wohl tatsächlich nur mitursächlich für den Mißbrauchs-Tsunami ist, und tapfere Mitstreiter wie Bischof Mixa haben den Flurschaden nur verschlimmert.

Doch was geht das die ehemaligen Heimkinder an? Viel wichtiger erscheint mir der Sachverhalt, den die FAS gestern unter dem Titel Spiel auf Zeit veröffentlichte. Überlebende der Gettos streiten seit Jahren mit deutschen Rentenversicherern über Rentenansprüche lautet der Untertitel, und der besagt schon alles.

Wenn die ehemaligen Heimkinder die Durststrecke des Runden Tisches auch erfolgreich überstehen mögen, wenn auch einzelne Heimkinder in Individualklagen Recht und Abfindung (!) erhalten werden, so landen alle (anderen) vor dem Verhandlungstisch der Griffelspitzer und Erbsenzähler. Ich habe bereits vor längerer Zeit vor einer solchen Entwicklung gewarnt: http://dierkschaefer.wordpress.com/2009/08/12/stigma/

Zwar gehört es zur Sorgfaltspflicht der Gelder bewilligenden Instanzen, Trittbrettfahrer nicht einfach durchzuwinken. Eine Sachprüfung ist erforderlich. Doch die „Bewilliger/Versager“ haben in der Regel keine Ahnung von Traumata und der Gefahr der Retraumatisierung.

Hier gilt es Gedankenmodelle zu entwickeln, wie man über eine nüchterne Problembeschreibung zu Lösungsmöglichkeiten kommt.

Ein „abgeschossener“ Papst mag für manche eine Genugtuung sein, wird die ehemaligen Heimkinder jedoch um kein Deut weiterbringen.

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