Overblog
Folge diesem Blog Administration + Create my blog
9. Oktober 2009 5 09 /10 /Oktober /2009 14:51
Evangelische Scham über die Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in den drei Nachkriegsjahrzehnten ist nichts Neues. Bereits am 10. März 2006 erfüllte es Bischof Wolfgang Huber mit Scham darüber, was ihm alles zu Ohren und vor die Brille kam. Landesbischöfin Margot Käßmann schämte sich bereits im Januar 2009 „dafür, dass in unseren Heimen so etwas vor sich gegangen ist und Kinder wirklich auch gebrochen wurden in ihrem Willen, und ihre Würde derart verletzt wurde.“, und schob bereits die Entschuldigung vorweg: „Ich kann öffentlich sagen, dass ich mich entschuldige, ...“ Der Bedarf an Scham und Entschuldigung ist also gedeckt.

Vergebung kann natürlich nur gewährt werden, wenn Zeichen der Reue und Wiedergutmachung sichtbar werden. Nicht nur, dass es daran nach wie vor mangelt, nein – nach der Scham folgt die Schamlosigkeit auf dem Fuße.

Wenn Diakonie-Direktor Christoph Künkel - obwohl die Druckerschwärze der gemeinsamen Erklärung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und des Diakonischen Werkes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e.V. noch an den Fingern klebt - bereits dicke Felsbrocken vor berechtigte Entschädigungsforderungen karrt, kann das Schamgefühl so groß nicht sein. Künkel ist sich seiner Worte bewußt, wenn er die Verzögerungsformel "die Diakonie lehnt eine pauschale Entschädigung ab" wiederholt. Die Umsetzung individueller Wiedergutmachung nach den Vorstellungen beider Kirchen wird mehr als die Hälfte der Opfer nicht mehr erleben.

Eine besondere Schamlosigkeit ist die erneute Flucht unter die Stühle des Runden Tisches. Zwar hat die Kirche den Dreck (Verbrechen) angerichtet, aber der Staat soll die Sauställe (Folgen der Verbrechen) ausmisten. Damit selbst das nicht so schnell passiert, schwadroniert Künkel von irgendwelchen notwendigen Gesetzesänderungen. Dreister kann die Scham nun wirklich nicht zur Schamlosigkeit verkommen. "Wir richten uns, was Entschädigungszahlungen anbelangt, nach den Ergebnissen des Runden Tisches", soll ein Sprecher der Landeskirche gesagt haben. Also gilt auch hier das Sankt Floriansprinzip: „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andre an!“

Dabei sind Möglichkeiten für erste Reue und Wiedergutmachung reichlich vorhanden. Die Kirchen könnten selbst einen „Feuerwehrfond“ einrichten und aus einer Jahreskollekte - zum Beispiel zum Buß- und Bettag - speisen. Schließlich haben viele ältere Gemeindeglieder fest die Augen zugedrückt, damit sie das Elend in den Heimen nicht sehen. Einige hunderttausend Eltern müssen wohl ihre Zöglinge in eben diesen verkommenen Heimen abgeliefert haben. So ist eine solche Kollekte mehr als berechtigt.

Ein preiswertes Zeichen der Reue wäre der Druck des Hannoverschen Schuldbekenntnisses vom 7. Oktober 2009 auf Messingplatten und der Aushang in kirchlich geführten niedersächsischen Heimen - den Opfern zum Gedenken und den dort Tätigen zur Mahnung, dass ihnen heute auf die Finger geschaut wird.

Von den Kirchen ist mehr Kreativität in der Umsetzung ihres Schuldbekenntnisses gefordert. Die Evangelische Stiftung Volmarstein macht vor, wie man mit wenigen Mitteln echte Reue dokumentieren und Opfer zur Versöhnungsbereitschaft bewegen kann.

Helmut Jacob
9. Oktober 2009


siehe hierzu: http://www1.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/missbrauch118.html
Diesen Post teilen
Repost0
26. September 2009 6 26 /09 /September /2009 00:35
Bischöfe planen eigene Hotline für ehemalige Heimkinder
Die Bischöe kündigten auch an, das Schicksal von Heimkindern in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik aufzuklären. Unter anderem erwägt sie eine eigene bundesweite Hotline für Betroffene aus katholischen Einrichtungen. ...
Der Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte nach der Herbstvollversammlung der Bischöfe, die Kirche wolle ihr Angebot an seelsorgerlicher und psycho-therapeuthischer Hilfe stärker in den Mittelpunkt rücken. Es gehe darum, Betroffenen noch besser bei der Aufarbeitung und Verarbeitung ihrer Biographie zu helfen.

... Den Bischöfen gehe es auch darum, das Geschehen gemeinsam mit den Betroffenen aufzuarbeiten. Auch wolle die Bischofskonferenz herausfinden, „wie groß das Unrecht tatsächlich ist, das geschehen ist“.

... Nachdrücklich rief er alle Träger kirchlicher Einrichtungen auf, die Aufarbeitung durch Akteneinsicht zu unterstützen. „Wir sind an der Sache dran, zeitnah“, unterstrich er.
(kna,dr)
http://www.domradio.de/bischofskonferenz/artikel_57119.html
http://www.zenit.org/article-18658?l=german


Kommentar

Wenn Erzbischof Robert Zollitsch Hilfe ankündigt, ist höchste Alarmbereitschaft angesagt. Durch seine unsäglichen Äußerungen, mit denen er die Verbrechen an Heimkindern unter dem Dach der katholischen Kirche in den 50er und 60er Jahren verharmlost, relativiert und teils rechtfertigt, hat er sich mehrere Male ins Abseits geschossen und jede Glaubwürdigkeit verspielt. Wer sich heute noch erdreistet, von Einzelfällen zu sprechen, darf wirklich nicht mehr verlangen, ernst genommen zu werden. Zuletzt soll er in einer Zeitschrift geschrieben haben, „... dass sich die Zahl der problematischen Fälle im unteren dreistelligen Bereich befinde,“ http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Nachrichten/id/283878

Unter diesem berechtigten Mißtrauen ist auch das Angebot einer Hotline zu betrachten. Er und die katholische Kirche wissen genau, dass bereits  Anrufe von einem Prozent der Heimopfer eine unvorstellbar hohe Zahl darstellen. Schließlich haben die Kirchen ganze Arbeit geleistet und tausende Wracks hinterlassen.

Der „Freien Arbeitsgruppe JHH 2006“ ist es gelungen, bei 10% der Opfer in einem Heim für behinderte Kinder das Schweigen wenigstens zum Teil zu brechen. Und das ist zwei Jahren intensivster Arbeit und umfangreicher Vertrauensbildung zu verdanken.

Da Zollitsch und andere führende Katholiken auf der ganzen Welt dieses Vertrauen in Sachen Heimkinder verplempert haben, wird er kaum 1 Promille der noch lebenden Opfer ans Telefon locken können. Und dann geht die Rechnung auf: So viele Heimopfer sind es doch gar nicht.

Auf seine sonstigen Hilfsangebote seelsorgerischer oder psychotherapeutischer Hilfe verzichten die Opfer gern. Welches Schaf legt sich freiwillig vor die Zähne eines Löwen? Und auch die von ihm geforderte Unterstützung der Heime bei der Aufarbeitung durch Akteneinsicht ist mehr als durchsichtig. Erstens sind die meisten Akten in Mülldeponien versunken, oder es entstand Klopapier aus ihnen. Zweitens sind die Verbrechen der Verbrecher in diesen Akten nicht zu finden. Man muß schon reichlich naiv sein, dort auswertbare Fundstücke zu erwarten. Dieses unnütze Hilfsangebot soll Entschädigungsforderungen wie eine lästige Falte wegbügeln. Zollitsch hat es ja nicht einmal glaubhaft fertig gebracht, sich als Rechtsnachfolger für die Verbrechen zu entschuldigen.

So, Herr Zollitsch geht es nicht. Sie müssen sich an dem Ruf Jesu Christi messen lassen: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Himmelreich.“ Mark. 10,14. Er sagte nicht: ... und schlagt sie zusammen.

Helmut Jacob
25. 09. 2009

Diesen Post teilen
Repost0
12. September 2009 6 12 /09 /September /2009 22:08
Lügen am Runden Tisch?
Der Runde Tisch hat beim vierten Treffen über Entschädigungs-
lösungen gesprochen....  Wird in der “Wahrheitskommision” (Vollmer) wirklich die Wahrheit gesprochen? Erste Zweifel sind angebracht.

 

Wie wurden NS-Zwangsarbeiter entschädigt?

Die Vorsitzende des Runden Tischs, Antje Vollmer, sagte nach dem zweitägigen [4. Treffen im Sept. 2009] Treffen am Mittwoch in Berlin, mögliche Entschädigungen dürften nicht dazu führen, dass andere Opfergruppen brüskiert würden.
...
Ob die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter als Modell dienen kann, blieb bei dem Treffen offen.
Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, welche die Zahlungen abgewickelt hat,machte deutlich, dass die Zwangsarbeitentschädigungen nur eine symbolische Zahlung an die Opfer bedeuteten. 1,66 Millionen Menschen hätten insgesamt 4,37 Milliarden Euro erhalten, was einer durchschnittlichen Zahlung von 2.630 Euro entspreche.
http://www.jesus.de/blickpunkt/detailansicht/ansicht/158689beratung-ueber-entschaedigungsloesungen.ht ml

Dazu
MICHAEL WITTI an Günter Saathoff
gekürzt zitiert:
...
Sie erklären dazu unter Missbrauch Ihrer Funktion als Vorsitzender der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, dass die Zahlung an die NS-Zwangsarbeiter lediglich symbolischen Charakter hatte und die durchschnittliche Zahlung bei ca DM 2600 EUR lag.
 
Sie unterdrücken dabei wohl bewusst, dass einzelne Opfergruppen der NS-Zwangsarbeiter, wohl mehr als eine symbolische Zahlung erhielten.
 
Die von mir vertretenen jüdischen Mandanten – eine knapp mehr als sechstellige jüdische Gemeinde – erhielten eine
Einmalzahlung von DM 15000.–
 
Sie erinnern sich, dass damals von Ihrer Regierungspartei auch deshalb Widerstand für höhere Zahlungen ausging, weil Ihre Partei Vortrug, dass meine Mandantschaft grösstenteils bereits für den Zeitraum der Zwangsarbeit laufende Rentenleistungen nach dem BEG erhielt.
 
Gleichwohl – und auch das unterdrücken Sie –
ist es uns gelungen im Schatten der Zwangsarbeiterverhandlungen ein Ghettorentengesetz – ZRBG – auf den Weg zu bringen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich Sonderbotschafter Bindenagel diesbezüglich zuarbeitete. Es gelang substantielle Zahlungen an meine Mandantschaft, quasi ausserhalb des öffentlichen Bewusstseins durchzusetzen.
 
Ergebnis war jedenfalls, dass unmittelbar nach den NS-Zwangsarbeiterverhandlungen meine Mandantschaft
eine monatliche Rente zwischen 200 und 500 EUR und Einmalzahlungen zwischen 10000 bis 30000 EUR erhielt und zwar auch als Witwe/Witwer.
 
Berücksichtigt wurde hier – als Zuerkennungskriterium – ausdrücklich der Zeitraum der Zwangsarbeit !!
...
Meine Mandantschaft erhielt im Zuge des Gesamtkomplexes:
DM 15000.– plus nun EURO  10000.– bis 30000.–  plus monatliche Rente von 200.– bis 400.–  EUR
 
Ich bin froh, dass vorgenannte Beträge mehr als eine symbolische Zahlung sind.
 
Zum Thema, dass auch dieser Betrag dem Leid meiner Mandantschaft unangemessen ist, erinnere ich Sie, dass Ihre Partei in Regierungsverantwortung war und die BRD damals, mithin auch Sie, sich vehement vor US Gerichten gegen die Zwangsarbeiter einsetzten ( siehe complex amicus curiae Schriftsätze ). Die BRD und deren Regierungsparteien versuchten Alles um die Rechtsverfahren der Zwangsarbeiter zu ruinieren, bis hin zu missglückten Telefonaten mit Präs. Clinton.
 
Deshalb verwundert es mich auch nicht, dass Sie nun wieder in der Öffentlichkeit und einer geschlossenen Sitzung gezielt falsche Fakten berichten.

Diesen Post teilen
Repost0
26. August 2009 3 26 /08 /August /2009 22:02

15.06.2009

Kottnik gegen Pauschallösung bei Entschädigung von Heimkindern

 

Katrin Heise: Es hat Gewalt und Hunger gegeben in den Heimen damals. Zirka 800.000 Kinder sind in den 50er- bis Mitte der 70er-Jahre hinein in Heimen aufgewachsen, ...

 

Heise: Es kommt ja immer mehr ans Licht, durch Bücher, Interviews, Studien. Auch das Diakonische Werk ist und war Träger von Kinderheimen. Was empfinden Sie, ...

 

Kottnik: ... Ich tue mich etwas schwer, wenn Sie auch die ganze Anzahl der Menschen, die damals in den Heimen gelebt haben, ich tue mich schwer, sie alle über einen Kamm zu scheren. In der Heimerziehung damals gab es sehr gute Erfahrungen, an denen ich selber auch partizipieren konnte.

[Achtung: Mitte der 70er Jahre (etwa 1975) war Kottnik 23 Jahre alt]


Ich war ja viele Jahre lang Leiter einer großen Einrichtung in Süddeutschland, der Diakonie Stetten,

 

Achtung Wikipedia: Von 1991 bis Januar 2007 war Kottnik theologischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten

 

... Und ich habe mit vielen der Ehemaligen in dieser Zeit [von 1991 bis Januar 2007] Kontakt gehabt, und sie haben alle berichtet, wie wichtig und wie gut die Zeit [von 1991 bis Januar 2007] für sie gewesen ist.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel [aus 1991 bis Januar 2007 ???]: eine junge Frau, die in einer Familie aufgewachsen ist, wo der Vater immer wieder Versuche gemacht hat, die Tochter zu vergewaltigen. Das Jugendamt ist eingeschritten und hat die Tochter aus der Familie herausgenommen. Die junge Frau lebt heute selbstständig mit ihrem Mann zusammen in einer Wohnung, versorgt sich selber, hat sehr viel Unterstützung bekommen, führt ein gutes Leben und sagt: Wenn ich dort nicht hingekommen wäre, dann wäre mein Leben völlig anders verlaufen. Es ist schwierig, sozusagen das Gesamte negativ zu bewerten, denn es gab auch sehr viel Gutes.

Zur Erinnerung:

Katrin Heise: Es hat Gewalt und Hunger gegeben in den Heimen damals. Zirka 800.000 Kinder sind in den 50er- bis Mitte der 70er-Jahre hinein in Heimen aufgewachsen, ...

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Kottnik

Klaus-Dieter Karl Kottnik (* 24. Mai 1952 in Stuttgart)

Von 1991 bis Januar 2007 war Kottnik theologischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten, KernenRemstal. in

Diesen Post teilen
Repost0
13. August 2009 4 13 /08 /August /2009 14:48
Der "Runde Tisch Heimkinder" war von Anfang an zweifellos eine Fehlkonstruktion. Sein Aufgabengebiet wurde schwammig formuliert. Vom Bundestag gewollt, hat ihn Ministerin Von der Leyen, die Ihren Eid zum Wohl des deutschen Volkes abgelegt haben will, gleich torpediert und von vornherein Entschädigungsleistungen abgelehnt. Verbrechen in Säuglings- und Kinderheimen und in Heimen für behinderte Kinder sollten erst gar nicht aufgearbeitet werden.
Trotzdem wäre es bedauerlich, wenn der "Runde Tisch" in Folge eines Gerichtsurteils auseinanderfliegen würde. Bei aller Kritik hätte man den Zwischenbericht, zum Ende des Jahres vorgesehen, abwarten müssen. Der VeH mag Recht bekommen, aber er ist nicht der Nabel der Welt. Er vertritt seine Vereinsmitglieder, - und sonst niemanden. Darum handelt er völlig verantwortungslos, weil er durch seine Klage Weichen für die Aufarbeitung etlicher zehntausender Heimopfer stellt, denen der VeH völlig Wurst ist.
Sollten die Kirchen nach einem negativen Urteil vom "Runden Tisch" zurücktreten, käme dieses einem Eigentor gleich. Schon jetzt rütteln Verzögerungstaktiken, Verharmlosungen, Faktenverdrehungen und Manipulationsversuche der Öffentlichkeit an den Fundamenten ihrer bröckelnden Glaubwürdigkeit. Sie sollten die Flucht nach vorn antreten und sich endlich, wie es ihr oberster Dienstherr im Neuen Testament lehrt, auf die Seite der Heimopfer stellen. Bundestag und Landtage sind aufgefordert, dafür zu sorgen, dass den Heimopfern endlich eine Entschuldigung für das völlige Versagen staatlicher Aufsichtsorgane, welches erst diese Verbrechen ermöglichte, zukommt und die Heimopfer von damals nicht erneut Heimopfer, diesmal in Altenheimen werden. Dafür müssen die finanziellen Grundlagen geschaffen werden. Denn eins muss nicht mehr bewiesen werden: Kleinkinder, Schulkinder, behinderte Kinder, schwer erziehbare Jugendliche und völlig unschuldige Menschen wurden Opfer von Gewalt und Verbrechen. Sie haben Anspruch auf sofortige Wiedergutmachung.
Diesen Post teilen
Repost0
13. August 2009 4 13 /08 /August /2009 00:03

„Da verzichte ich lieber!“ Mit diesen Worten warfen viele „Kriegs- und Zivilbeschädigte“ damals, in den Jahren nach dem Krieg, das Handtuch. Sie waren die Tortur leid. Mißtrauische Gutachter und Sachverständige fragten penibel nach ihrer Leidensgeschichte und den Auswirkungen. Leitfragen schienen zu sein:

1. Ein Simulant?

2. Lassen sich die Beschwerden nicht auch anders herleiten?

Möglichst keine Renten- oder sonstige Entschädigungsansprüche anerkennen.

Wer einen erkennbaren körperlichen Schaden und einen passenden Beweis für die Ursache hatte, war relativ gut dran. Auch Gutachter mit kruppstahlartiger Härte kapitulierten vor dieser Beweislage. Doch wehe, wenn der Schaden nicht eindeutig zu klären war, oder gar jemand mit kriegsbedingten psychischen Schäden kam. Da mußte man schon psychisch stabil und zäh wie Leder sein, um den Begutachtungs-Parcour nicht vorzeitig abzubrechen. Viele, die wirklich beeinträchtigt waren, gaben auf. Diese Menschen wurden nicht nur um ihren Anspruch betrogen, sondern zu Verlierern gestempelt, mit entsprechenden Auswirkungen auf ihr Selbstbewußtsein.

Die Geschichte scheint sich bei den ehemaligen Heimkindern zu wiederholen. Sie haben lange gebraucht, um sich überhaupt zu melden. Sie haben ihre Vergangenheit versteckt wie einen Makel. In der Soziologie spricht man von einem Stigma. Viele fühlen sich noch immer in der Opferrolle, und das macht sie weiterhin verwundbar. Das erworbene Mißtrauen, auch untereinander, macht den Umgang mit ihnen schwer. Wenn sie dann noch den begründeten Eindruck haben, daß hinter ihrem Rücken über sie verhandelt wird, ohne daß sie informiert werden, auch wenn keine glaubwürdigen Gründe angegeben werden, warum die Dinge so und nicht anders laufen, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie Verschwörungstheorien anhängen. Sie sehen, daß es für die ehemaligen Heimkinder aus DDR-Heimen eine Art Haftentschädigung geben soll, unangemessen niedrig und auch nur nach akribischer Einzelfallprüfung. Sie erfahren sich am Runden Tisch nicht angemessen vertreten. Sie sollen kooperieren und Fragebogen ausfüllen, wissen aber nicht, was für sie herauskommen kann und soll. Noch dazu haben sie ihre Geschichte bereits – viele unter Tränen – erzählt, nur noch nicht auch noch dem Runden Tisch. „Der Runde Tisch bringt doch nichts für uns“, sagen sie mir. „Da werden wir nur hingehalten.“ „Die andere Seite ist dort juristisch gutvertreten, da haben wir keine Chance.“ Sie haben ja auch gesehen, wie schnöde der Runde Tisch mit den ehemaligen Heimkindern aus Behindertenheimen umgegangen ist. „Nicht zuständig“, hieß es von dort knapp, immerhin ohne jedes Betroffenheitsgedöhns.

Der Umgang mit diesen Menschen muß gekonnt sein. Es sind Menschen, deren Lebenslauf beschädigt wurde und die immer noch zum Teil ganz existentiell unter den Folgen der Schwarzen Pädagogik leiden. Doch vertrauensbildende Gesten „kann“ der Runde Tisch immer noch nicht. Wann lernt er es?

Wolfgang Borchert, der Autor der Kriegheimkehrergeneration, hat uns eine eindrucksvolle Geschichte hinterlassen. Zwei Stigmatisierte treffen aufeinander. Sie verbindet derselbe Makel, ein Sprachfehler. Die Zunge ist zu kurz. Sie können kein „s“ sprechen, sondern machen ein „sch“ daraus. Doch welch ein Unterschied zwischen den beiden. Der eine ist ein Gewinner-Typ, trotz Sprachfehler und Beinamputation, beides heldenhaft im Krieg erworben. Der andere ein kleiner Kellner, ständig gedemütigt und belächelt mit seinem „Schie wünschen?“ und „Bitteschehr?“

Die ehemaligen Heimkinder werden die Geschichte nicht kennen, denn ihnen wurde das Recht auf Bildung fast durchgängig verwehrt. Die Damen und Herren am Runden Tisch sind wohl zu jung. In ihrer Schulzeit las man Borchert vermutlich nicht mehr. Doch sie sollten es nachholen. Borchert bringt uns den armen kleinen Kellner so nahe, daß wir unweigerlich verstehen und fühlen wie es ist, mit einem Makel herumlaufen zu müssen.

Die damalige Heimerziehung hat viele Menschen hervorgebracht, die den Makel des Heimkindes nicht abschütteln konnten. Denn sie hatten Angst vor einer gnadenlosen Umwelt, gnadenlos wie die Klassenkameraden von „Schischyphusch“, so der Spitzname des Kellners. Er konnte den Sysiphus nicht aussprechen, den traurigen Mann aus der griechischen Mythologie, dem es bestimmt war, im Jenseits einen Stein den Berg hinaufzuwälzen. Doch gerade oben angelangt, rollt der Stein immer wieder runter. Darum nannten seine „Freunde“ den Kellner „Schischyphusch“. Der duckte sich, machte sich klein und wurde immer kleiner.“

Welch ein Spaß!

Diesen Post teilen
Repost0
12. August 2009 3 12 /08 /August /2009 23:59

Dem „Runden Tisch Heimerziehung“ droht das Aus. So heißt es in der FAZ vom 11. August 2009. Die FAZ weiß auch, warum. Der Verband ehemaliger Heimkinder (VeH) hat sich mit den falschen Leuten verbandelt.

Dies sehe ich auch so. In meiner Anhörung am Runden Tisch am 2. April 2009 sagte ich: Die ehemaligen Heimkinder sind Verbindungen eingegangen, die das Projekt zum Scheitern bringen könnten.

Aber die FAZ schreibt nicht, wie es dazu kam. Sie schreibt nichts von dem Unstern, den (professionell oder leyenhaft?) die Familienministerin gleich zu Beginn des Runden Tisch aufgehen ließ mit den Worten: „Die Einrichtung eines nationalen Entschädigungsfonds wird von Bundestag und Bundesregierung nicht angestrebt.“

Damit hat Frau von der Leyen einen ungeheuren Vertrauensschaden angerichtet. Die FAZ kann offenbar die verheerenden psychologischen Auswirkungen dieses Satzes nicht abschätzen.

Die FAZ schreibt auch nichts von dem äußerst schleppenden und schwierigen Beginn des Runden Tisches, angefangen von der ministerin-bedingten Startverzögerung und der Suche nach einem neuen Ausrichter (unter Gesichtwahrung der Ministerin), schreibt nichts von den sonstigen Anlaufschwierigkeiten, die zwar normal sind, aber das Mißtrauen der Heimkinder vermehrt haben.

Die FAZ schreibt nichts von der völlig unprofessionellen Art des Runden Tisches. Anscheinend unerfahren im Umgang mit Menschen, die stigmatiert und in ihrer Biographie geschädigt sind. Solche Menschen benötigen vertrauensbildende Maßnahmen, um dann (vielleicht) das Prozedere zu akzeptieren. Doch wer nicht transparent arbeitet, kann kein Vertrauen gewinnen. Die Vertreter der ehemaligen Heimkinder haben sich in ein Schweige- und Warte-Kartell einbinden lassen und ihrerseits das Vertrauen eingebüßt.

Ist es ein Wunder, wenn die ehemaligen Heimkinder nach Verbündeten gesucht haben? Es waren leider die falschen.

Das läßt sich alles nachlesen unter:

http://dierkschaefer.wordpress.com/2009/04/05/anhorung-runder-tisch-2-april-2009/

Wenn es also zum Scherbenhaufen kommt, dann bitte ich um Fairneß beim Scherbengericht. Die ehemaligen Heimkinder kommen dabei erst an dritter Stelle, nach der Ministerin und nach der Leitung (und Besetzung?) des Runden Tisches.

Und was die Anwälte betrifft, so haben sie ja immer noch die Gelegenheit zu zeigen, daß sie nicht nur bellen können, sondern daß sie auch Zähne haben, ja, sogar zubeißen können.

PS: Den nachstehenden Beitrag hatte ich vor der FAZ-Meldung geschrieben. Darin heißt es: „Doch vertrauensbildende Gesten „kann“ der Runde Tisch immer noch nicht. Wann lernt er es?“

Ich hoffe, daß es doch noch nicht zu spät ist.

Diesen Post teilen
Repost0
12. Juli 2009 7 12 /07 /Juli /2009 14:01
Meldung:
Erzbischof sichert ehemaligen Heimkindern Hilfe zu
Tagespresse z.B.: Märkische Oderzeitung online vom  14. Juni 2009
Die Heimkinder brauchen keine Hilfen, schon gar nicht von den Tätern bzw. den Rechtsnachfolgern dieser Täter. Es sind die Kirchen, die schon längst Hilfe brauchen! Ihr Ruf ist dermaßen ruiniert, dass es schon ein Bild des Jammerns ist. Was haben sie versucht, die Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in den Bereich der Fabel und Märchen zu drängen. Erst, als ihnen ihre Sünden quasi um die Ohren gehauen wurden, erkannten sie, nein, sie wussten es bereits vorher, dass an den Geschichten sehr viel wahr ist. Trotzdem tricksten sie herum und behaupteten frech und dreist, dies seien alles nur Einzelfälle. Nun, da ihnen auch diese Lüge niemand abnimmt, sprechen sie von gehäuften Einzelfällen.

Vordergründig entschuldigen sie sich, hintenherum schlagen sie den Opfern ihrer Verbrechen allerdings erneut mitten ins Gesicht. Würden sie einen Funken Aufrichtigkeit besitzen, stellten sie sich mit wehenden Kirchenfahnen vor die Opfer und würden lauthals Opferentschädigung im Sinne einer Grund-Opferrente in Anlehnung an das Opferentschädigungsgesetz (OEG) verlangen. Für die besonders Betroffenen würden sie gestaffelte Zuschläge einfordern. Damit würden sie verhindern, dass jedes Opfer, das sich bisher bereits unter größter psychischer Belastung mit diesen Verbrechen in seiner Kindheit und/oder Jugend auseinandergesetzt hat, noch einmal die Hose fallen lassen muss, um für ein verpfuschtes Leben ein ganz kleines bischen entschädigt zu werden.

Soviel Aufrichtigkeit ist bisher selbst am Horizont nicht zu sehen. Kottnik und seine Glaubensbrüder verlangen eine Einzelfallprüfung. Sie wissen natürlich, dass dieses Verfahren meist dem Wege der biologischen Problemlösung sehr entgegenkommt. Viele werden diesen Tag nicht mehr erleben. Sie wissen auch, dass ein großer Teil der Opfer diesen schmerzlichen Prozess der Auseinandersetzung mit frühem Leid und Qualen nicht noch einmal durchmachen wollen und eher auf diese staatlichen Almosen verzichten. Sie, die Kirche, wird sich hüten, auch nur einen Cent zu zahlen. Seit Jahrzehnten hat sie es verstanden, ihren Reichtum zu verbergen. Jedes Jahr fliegen den Kirchen vier bis sechs Milliarden Euro ohne großes Tun entgegen. Erst in letzter Zeit berichten kritische Fernsehmagazine, wie wenig davon sie inverstieren. Es sind laut neuesten Berechungen unter 10%.

Das Anbieten irgendwelcher Hilfestellungen seitens der Kirchen ist der schamlose Versuch, von ihren Schandtaten abzulenken. Sie spielen sich als barmherzige Samariter auf und wollen ihren Schafen weißmachen, dass ihre Seele sauber ist. Dem ist nicht so. Nach den Verbrechen in den 50er, 60er und 70er Jahren vergehen sie sich erneut an jedem einzelnen Opfer durch ihre Verharmlosungen, Tatsachenverdrehungen, Falschdarstellungen und Untergrabungen berechtigter Entschädigungsforderungen.
Diesen Post teilen
Repost0
8. Juni 2009 1 08 /06 /Juni /2009 23:53
Die derzeit laufenden Forschungsansätze untersuchen die Zustände in einigen Fürsorgerziehungsheimen im fraglichen Zeitraum. Sie sind also heim-orientierte Sondierungen, die fachwissenschaftlich von großem Interesse sind, jedoch den Anforderungen der ehemaligen Heimkinder nur begrenzt gerecht werden können. Zudem würde es wohl einen jahrzehntelangen Aufwand bedeuten, wenn man bundesweit flächendeckend auf diese Weise die Heimhintergründe aller ehemaligen Heimkinder, die sich mit ihren Heimerfahrungen gemeldet haben, untersuchen wollte.

Darum schlage ich einen ergänzenden Forschungsansatz vor, der zu schnelleren, aber dennoch objektiven Ergebnissen führen soll und der geeignet ist, allen betroffenen Heimkindern noch zu ihren Lebzeiten Anerkennung und materielle Kompensation eröffnen kann, soweit dies die jeweilige Datenlage hergibt.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Tatsache, daß viele ehemalige Heimkinder sich mit ihren Heimerfahrungen bereits bei unterschiedlichen Personen und Anlaufstellen (Vertrauenspersonen) gemeldet haben. Diese Vertrauenspersonen haben eine wichtige Vorarbeit geleistet: Sie haben zugehört, oft über Stunden und mit ungeheurem Einfühlungsvermögen, und, das soll auch erwähnt werden, unter teilweise erheblicher eigener seelischer Belastung, denn es ist nicht einfach, weinenden Menschen über lange Zeit zuzuhören und auf sie einzugehen, wenn man durch die Berichte an seine eigene Zeit im Heim erinnert wird.

Diese Berichte sollen im Interesse der Betroffenen auswertbar gemacht werden durch einen strukturierten Fragebogen mit korrekter Methodik und durch Rückfragen bei den Betroffenen, so daß schließlich die vielen Einzelfälle eine grundlegende Struktur des Heimalltags in vielen Heimen sichtbar machen. Öffentliche Aufrufe an ehemalige Heimkinder, sich mit ihren positiven bzw. negativen Erfahrungen zu melden, können die Datenbasis verbreitern. Die Erfahrungsberichte werden mutmaßlich zeigen, daß der Staat in vielen Fällen Erziehungsaufgaben übernommen und delegiert hat, ohne seiner Verantwortung gerecht zu werden. Daraus lassen sich begründete Forderungen ableiten, etwa in der Art wie ich sie bereits publiziert und beim Runden Tisch vorgeschlagen habe.  Verfahrensvorschläge-RT

Die bereits bestehende Datenlage für einen solchen Forschungsansatz ist ermutigend. Neben einer Reihe von „Vertrauenspersonen“, die mehr oder weniger systematisch Berichte gesammelt haben, hat z.B. Michael-Peter Schiltsky bereits einen Fragebogen entwickelt und eine Datenbank angelegt. Hieran kann angeknüpft werden.

Einige grundlegende Gedanken für die Erstellung eines qualifizierten Fragebogens, die ich großenteils auch in Schiltskys Fragebogen berücksichtigt fand, habe ich in Absprache mit Herrn Schiltsky beim „2. Expertinnen- und Expertengespräch: Heimerziehung der 1950er und 60er Jahre – Stand und Perspektiven der (fach-)historischen Bearbeitung“ am 3. Juni 2009 in Koblenz präsentiert.praesentation heim-kids

Damit dieses Projekt in wissenschaftlich anerkannter Weise aufgegriffen und erfolgreich durchgeführt werden kann, halte ich einen Forschungsauftrag des Runden Tisches an einschlägig wissenschaftlich tätige Personen/Institutionen oder vergleichbare zielführende Maßnahmen im Interesse der ehemaligen Heimkinder für erforderlich.
Diesen Post teilen
Repost0
7. Juni 2009 7 07 /06 /Juni /2009 19:38

Feststellung: Der Verein ehemaliger Heimkinder (VeH) hat Ende Mai 2009 einen Opferentschädigungsfond in Höhe von 25 Milliarden Euro öffentlich gefordert und will diese Forderung im Rahmen des dritten Sitzungskomplexes des Runden Tisches Heimkinder am 15./16. Juni noch einmal vortragen.

 

Dass der Opferentschädigungsfond berechtigt ist, darüber muss wirklich nicht mehr dikutiert werden. Bereits die Verbrechen, die in dem Buch des Spiegel–Journalisten Peter Wensierski „Schläge im Namen des Herren“ aufgezeigt sind, schreien bereits nach Entschädigung für zahlreiche verpfuschte Leben. Angesichts der Grausamkeiten haben viele Heimopfer nach Entlassung aus ihrer jeweiligen Hölle nie wieder Fuß fassen können. Manche sind kriminell geworden, manche haben sich oder andere umgebracht, manche haben nichts gelernt und konnten im späteren Leben kein sozialhilfefreies Leben führen. So ist es geradezu eine Schande und bezeichnend für die Vertuschungskultur von Behörden und Kirchen, dass dieser Opferfond, in Form eines Feuerwehrfonds für dringende seelische Reparaturen (Psychotherapien), nicht schon im Jahre 2006 auf die Beine gestellt wurde.

 

Ist die Höhe gerechtfertigt? Dieser Frage muss man mit einer Gegenfrage entgegentreten: Reicht die Höhe aus? Nach dem Wensierski-Buch schwirrte die Zahl „500.000 Heimopfer“ durchs Internet und durch die Gazetten. Neueste Zahlen sprechen von sogar 800.000 Opfern. Bei dieser Anzahl würden im Rahmen einer finanziellen Wiedergutmachung gerade mal 32.000 Euro ausgezahlt. Ist damit alles wiedergutgemacht?

 

Allerdings muss Gutmachung auch in anderer Form geschehen: Finanzierung von Therapieeinheiten über den gesetzlichen Rahmen hinaus und ohne bürokratische Hürden für Traumatisierte; Finanzierung von pflegerischer Betreuung für sowohl alte als auch behinderte Heimopfer, damit sie nicht wieder Gewalt, diesmal in einem Altersheim befürchten müssen. Vielen Opfern reichen solche Absicherungen aus. Wäre der Opferfond schon eingerichtet und ein wenig gefüllt, könnte man solche Erste-Hilfe-Maßnahmen (Therapien und Pflegeassistenz) schon heute finanzieren. Solche Hilfen sind längst überfällig und bedürfen nicht des Segens irgend eines Runden Tisches!

 

Ich denke – allerdings nur beispielsweise - an die Opfer von Freistatt. Sie wurden ins Moor gepeitscht. Ihre Bezahlung geschah, wie ich erst vor wenigen Tagen erfuhr, teils in Zigaretten-Währung, wobei einige zuvor nikotinsüchtig gemacht wurden. Ihre Arbeitszeit betrug 8-12 Stunden und dies auch an Samstagen. Sonntags wurden sie – wenigstens teilweise – zum Kirchgang abkommandiert. Da dies in Zwang geschah, zählt auch dieses zur Arbeitszeit. Gehen wir von einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden aus, so haben diese gequälten Jugendlichen 2500 Stunden im Jahr bei Wind und Wetter und unter Prügel im Moor gestanden. Über Stundenlöhne dieser Zeit will ich erst gar nicht schwadronieren. Wer diese Zahlen heranzieht, denkt bereits an eine Schadensbegrenzung. Gesühnt werden muss zusammen mit der Arbeitszeit die erlittene Gewalt. 12,80 Euro pro Stunde Wiedergutmachung für Zwangsarbeit und Misshandlung. Ist das zuviel? – Aber: An anderen Opfern müssen völlig andere Verbrechen gesühnt werden.

 

Wie bringt man Forderungen nach einem Opferentschädigungsfond so rüber, dass die Bevölkerung diesen Fond als gerechtfertigt betrachtet? Machen wir uns nichts vor: Wir brauchen die Bevölkerung auf unserer Seite. Setzt sich Stammtischmeinung durch, nach der „die da nur abzocken wollen“, werden die berechtigten Forderungen zumindest weiter auf die Wartebank geschoben. Unsere Mitmenschen müssen sehen: Da geschah unendliches Leid, dafür müssen die damaligen Kinder und Jugendlichen etwas erhalten, in welcher Form auch immer. Meinungsbildend wirkt hier die Presse. Dieser Kontrollstelle der Demokratie kann man nur immer wieder danken. Sie haben die Verbrechen in ihrer Tragweite erkannt und sie stehen hinter den Forderungen nach einem Entschädigungsfond; ebenso wie beispielsweise einer der wenigen aufrichtigen „Opfer-Anwälte“, Pastor Dierk Schäfer, der schon frühzeitig darauf hinwies, dass Entschuldigung immer auch Reue und Wiedergutmachungsperspektiven beinhalten muss.

 

Das bisherige Blatt zu unseren Gunsten wendet sich allerdings schlagartig, wenn bereits Summen ins Internet und in die Zeitungen geschmissen werden. Wie kommt der VeH zu seiner geforderten Summe? Muß nicht erst eine Bedarfsermittlung her? Ist es nicht viel vernünftiger, erst einmal überhaupt den Opferfond durchzusetzen, auf erste Einzahlungen zu drängen und den Runden Tisch ermitteln zu lassen, wieviel Opfer es denn nun wirklich sind?

 

Einen bitteren Beigeschmack bekommt diese mit einer Zahl konkretisierte Forderung auch, wenn sie bereits zum derzeitigen Zeitpunkt mit dem juristischen Brecheisen durchgesetzt werden soll. Zwar sitzen am Runden Tisch, im Talar getarnt, knallharte Juristen. Aber noch haben sie anscheinend nicht versucht, ihre juristischen Tricks anzuwenden. Also sollten wir Heimopfer nicht selbst mit der Brechstange losziehen. Bis zum Zwischenbericht des Runden Tisches am Ende dieses Jahres müssen wir uns gedulden. Das erwartet die Presse und damit auch die Bevölkerung von uns, und das zu recht. Wir dürfen nicht drei Jahre nach einem Runden Tisch jammern und ihn dann nach einem halben Jahr zerschlagen wollen.

 

Gleichwohl trifft ein Vorwurf den Runden Tisch schon heute: Seine Geheimhaltung, seine geheimen Sitzungen, seine nichtssagende Homepage. Die Opfer haben ein Anrecht darauf, über alles, aber auch ausnahmslos alles, informiert zu werden, was dort verhackstückt wird. Natürlich bleiben persönliche Berichte davon ausgeschlossen. Der Deutsche Bundestag hat sicher nicht gemeint: Mauschelt mal im Geheimzirkel, buttert die 3 VeH-Vertreter unter und macht die Opferansprüche so klein wie möglich. Oder etwa doch? Diesem stetig wachsenden Eindruck gilt es, mit intensiver und ausführlicher Öffentlichkeitsarbeit des Runden Tisches entgegenzutreten.

 

Helmut Jacob

07.06.2009

Diesen Post teilen
Repost0