Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
4. August 2012 6 04 /08 /August /2012 13:57

Dierk Schaefers Blog

Klar, Gedenkstätten sind keine Entschädigung.

Posted in heimkinder, Pädagogik, Kirche, Theologie, Psychologie, Politik, Kinderrechte, Geschichte, Menschenrechte by dierkschaefer on 2. August 2012

»Die Gedenkstätten, die an die Gräuel des Nationalsozialismus erinnern, stehen aktuell vor ähnlichen Problemen. Die Zeitzeugen, die durch ihr eigenes Schicksal Schülern diese Zeit näherbringen können, verschwinden nach und nach. Manche Einrichtungen arbeiten deshalb jetzt mit gefilmten Interviews. „Wir wollen aber nicht, dass die Zeitzeugen auf kurze Videoclips reduziert werden“, betonte Shaun Hermel aus dem Vorbereitungsteam der Gedenkstätte.«

http://www.haz.de/Hannover/Aus-den-Stadtteilen/West/Experten-debattieren-ueber-Konzept-der-Gedenkstaette

 

Klar, Gedenkstätten sind keine Entschädigung. Aber sie sind wichtig. Nicht nur, um irgendeine Erinnerung wachzuhalten, sondern aus diesem Erinnern Schlußfolgerungen für aktuelles und zukünftiges Verhalten zu ziehen.

 

Klar ist auch, daß die Musealisierung vergangener Greuel um so problemloser vonstatten gehen kann, wie die Verantwortlichen für die Greuel – wie auch die Opfer – selber „museal“ geworden sind.

 

Das ist mit den Greueln in den staatlichen und kirchlichen pädagogischen Einrichtungen jedweder Art jedoch anders.

· Noch leben die Opfer – und einige Täter.

· Noch existieren einige Firmen, die Nutznießer von Kinderzwangsarbeit waren.

· Noch gibt es Einrichtungen in direkter Nachfolge der damaligen Mißhandlungsstätten.

Da fällt es schwer einzugestehen und lebendig zu halten, was damals geschah, noch schwerer, wenn die Gründerväter mancher Anstalten diskreditiert sind, aber dennoch in Ehren gehalten werden sollen.

 

Gewiß ist einiges an Erinnerungsarbeit geleistet worden, sogar am unsäglichen Runden Tisch. Ein Bischof hat sich lang vor den Altar gelegt und um Verzeihung gebeten, ein anderer hat einen Versöhnungsgottesdienst gehalten mit den ehemaligen Heimkindern, die sich dafür hergegeben haben.

 

Die Crux ist nur, daß diese Erinnerungsarbeit stattfand, anstelle von …

Anstelle von angemessenen Entschädigungen für…

· … von Kindern- und Jugendlichen geleistete Zwangsarbeit, ohne angemessene Bezahlung und ohne Sozialversicherung.

· … nicht gebotene Bildung und Ausbildung.

· … systematisch herbeigeführte Schädigungen an Leibern und Seelen dieser Kinder durch Demütigungen und Mißhandlungen, auch sexueller Art.

· … systematische Unterlassung der Aufsicht in den Heimen.

· … Ignorierung und Bagatellisierung der Verbrechen.

· … viele durch den Heimaufenthalt verpfuschte Lebensverläufe.

· … den „Verlust“ Gottes, in dessen Namen man handelte

 

Solange Entschädigungsleistungen verweigert werden, ist Erinnerungsarbeit Heuchelei.

Zumal …

· … diese Erinnerungen in einer Vielzahl der Homepages der Nachfolgeeinrichtungen ausgespart oder schamhaft in den Hintergrund geschoben werden.

· … keine interne Erinnerungsarbeit geleistet wird. Wo bleibt die theologisch-pädagogische Bearbeitung von Kindeswohl-Verletzungen, die in Übereinstimmung mit den theologisch-pädagogischen Prinzipien der Einrichtungen standen? Hier geht es um die Doppelmoral von Sonntagspredigt und Alltagshandeln, um Demütigung, Schmalspurbeschulung, „Arbeitstherapie“ und Mißhandlungen, also um die Systematik kirchlicher pädagogischer Arbeit. Lediglich die Sexualverbrechen gehören hier nicht her, denn die waren auch in diesem System „Sünde“, die allerdings gnädig zugedeckt wurde.

· … meines Wissens die Heimverbrechen noch nicht Eingang gefunden haben in die sozialpädagogische Ausbildung.

 

Wenn es also nach dem Willen von Rundem Tisch, Parlament, Staat und Kirchen schon keine Entschädigungen geben soll: Wo bleibt die Aufarbeitung der Verbrechen, die der Wiederholung vorbeugt?

 

Hier könnte die Gedenkstättenarbeit Vorbild sein. Für begleitende peinliche Aufwallungen sind nicht die Opfer verantwortlich. Die Peinlichkeit der einen ist die Pein der anderen. Nur mit schonungsloser Offenheit und Lernbereitschaft kann man in den erforderlichen Dialog eintreten. Vielleicht würde man dann auch erkennen, daß man für die Vergangenheit auch zahlen muß.

http://dierkschaefer.wordpress.com/2012/08/02/klar-gedenkstatten-sind-keine-entschadigung/

Diesen Post teilen
Repost0

Kommentare