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13. Oktober 2009 2 13 /10 /Oktober /2009 16:53

Stellungnahme zu: „Gemeinsame Erklärung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und des Diakonischen Werkes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e.V. zu der Situation in Heimen der Jugendfürsorge in den 50er und 60er Jahren“

 

Eine frohe Botschaft vorweg: Die Unterzeichner der Erklärung haben den Heimopfern einen Neuaufguss des „Stuttgarter Schuldbekenntnisses“ erspart. Vor etwa 64 Jahren formulierten evangelische Kirchenmänner folgendes Entschuldigunggestammel für ihr Versagen in der NS-Zeit:Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

 

Allerdings klingt das Gestammel heute ähnlich. Zunächst ist 5 mal festzustellen, dass es die Unterzeichner beschämt, was sie zwei, drei Sätze weiter wieder beschönigen.

 

Zuvor herrscht kollektive Trauer über die Feststellung, dass in kirchlichen Heimen „schlimmes Unrecht geschehen ist“. Hier wird nicht etwa darüber getrauert, dass in vielen kirchlich geführten Heimen schlimmste, justitiable Verbrechen zwischen ungesetzlichen Prügelorgien und ungesetzlichen sexuellen Verbrechen stattgefunden haben. Einzig und allein der Grund, dass die Opfer sich 40 bis 60 Jahre geschämt haben, über diese Verbrechen, selbst im engsten Familienkreise, zu sprechen, bewahrte tausende Folterknechte unter der Schirmherrschaft der Kirche vor der Anklagebank und erheblichen Strafen. So ist diese Trauer keine ernstzunehmende Gefühlsregung, weil sie den Grund der Trauer unanständig verharmlost.

 

In Punkt 1 jammern die Unterzeichner, „dass in den 50er und 60er Jahren unser christlicher Anspruch von der Wirklichkeit oft nicht gedeckt wurde.“ Dazu ist festzustellen: Die evangelische Kirche hat mit jedem Heimopfer einmal mehr Jesus Christus ans Kreuz genagelt. Sie hat die Bergpredigt in den Dreck gezogen, das Gebot christlicher Nächstenliebe täglich in irgendwelchen ihrer Heime mit Füssen getreten, gegen die meisten der Zehn Gebote verstoßen, - und es bis heute nicht geschafft, gemäß dem Gebet Jesu, das er seinen Jüngern lehrte, dem „Vater unser“, aufrichtig um Entschuldigung zu bitten.

 

Noch im selben Punkt 1 schwadronieren die Unterzeichner über häufige Gewaltanwendungen, massiven psychischen Druck und, dass „in den Heimen nicht individuell fördernd auf die Kinder und Jugendlichen eingegangen worden ist.“ Ehrlich hätte es heissen müssen: Oft wurden Kinder und Jugendliche bis zur Besinnungslosigkeit zusammengeschlagen, man hat sie permanent bedroht und geängstigt und darum keine Zeit gefunden, sie schulisch und beruflich zu fördern.

Danach wieder eine Verharmlosung der Folgen der kirchlich übersehenen Schäden an den Jugendlichen: „Dadurch ist die Würde der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen oft nachhaltig verletzt und ihr Leben beschädigt worden.“ Aufrichtig hätte es heißen müssen: Wir haben die uns Anvertrauten gebrochen, wir haben ihren Willen gebrochen, wir haben ihre natürliche Wehrhaftigkeit gebrochen und sie aller Chancen für ein würdiges soziales, berufliches und gesundes Leben in der Gesellschaft beraubt. Wir haben sie dazu gedrillt, dass sie heute oft über ihre Mitopfer herfallen und sich gegenseitig zerfleischen, statt sich mit ihren Peinigern auseinander zu setzen.  

 

Unter Punkt 2 schämen sich die Unterzeichner, dass sie Jahrzehnte Einzelschicksale verschwiegen haben. Wahr ist aber auch, dass Opfer, die sich endlich trauten, ihre Peiniger und Gefängnisse namentlich zu nennen, mit Verleumdungsklagen eingedeckt wurden, dass man versuchte, sie mundtot zu machen. Fast wäre es ihnen gelungen. Stiller Helfer der Opfer war und ist das Internet. Heute geraten Verbrechen an Kindern und Jugendlichen nicht darum so schnell in Vergessenheit, weil Buchauflagen in den 60er Jahren ausliefen und die Erinnerung löschten. Zur Wahrheit gehört auch: Die Kirchen geben nur zu, was nicht mehr zu leugnen ist. Selbst dann noch verharmlosen sie, relativieren sie und verniedlichen sie. Aber sie tragen in jeder Stellungnahme die heutige Situation wie eine Monstranz vor sich her, nach der jetzt alles besser sein soll. Schön wäre es. Auch hier belehren uns die Meldungen im Internet eines Besseren.

 

In Punkt 3 bejammern die Unterzeichner mit der geschwollenen Formulierung „dass Mitarbeitende in den Einrichtungen für ihre verantwortungsvolle Aufgabe oft unzureichend qualifiziert waren“, dass sie Nieten auf hilflose Kinder und Schlägertrupps auf junge Männer und Frauen losgelassen haben. Sie verschweigen ebenso, dass in den Heimen ein Klima geschaffen und permanent gepflegt wurde, welches die Selbstjustiz und willkürliche Bestrafung der Opfer untereinander förderte, damit sich die angeblich im Dienste Jesu Stehenden nicht immer selbst die Hände schmutzig machen mussten. Fast weinerlich schieben sie hinterher: „Wir achten die Mitarbeitenden, die unter schwierigen Bedingungen Gutes wollten und dies auch erreicht haben. Wir wissen, dass viele ehemalige Mitarbeitende bis heute unter Schuldgefühlen leiden.“ Für die Heimopfer bedeuten diese Sätze: Thema verfehlt! Anständiger hätte es wie folgt heissen müssen: „ Wir achten die Heimopfer, die unter schwierigen Bedingungen Gutes wollten und dies auch erreicht haben. Wir wissen, dass viele ehemalige Heimkinder und -Jugendliche bis heute unter Schuldgefühlen leiden.“

 

Unter Punkt 4 sind natürlich wieder andere schuld. Staat und Gesellschaft haben die Betriebe der Kirche zu schlecht finanziert. Fakt ist: Die Kirchen reißen sich stets Aufgabengebiete unter die Nägel, mit denen sie nicht fertig werden. Dabei machen sie von ihrer Macht dem Staat und der Regierung gegenüber keinen Gebrauch; sie fordern nicht die Gelder, die notwendig sind, um ihnen anvertraute Kinder und Jugendliche unter Berücksichtigung der Menschenwürde zu erziehen und sie auf ein Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Eine Verhöhnung ist die mit dem fehlenden Geld gekoppelte Rechtfertigung für Kinderarbeit, für Sklavenarbeit, für Zwangsarbeit. Völlig außer acht gelassen werden die damit verbundenen ständigen Repressalien und Misshandlungen, die in der Konsequenz zu schweren körperlichen und seelischen Behinderungen geführt haben, - für einige bis zu ihrem Lebensende.

 

Unter Punkt 5 des Jammerns zeigen die kirchlichen Finger anklagend auf die oft leichtfertige staatliche Einweisungspraxis. Weitere Finger auf andere Schuldige richten sich gezielt auf die fehlende Heimaufsicht. Ehrlicher wäre es gewesen, sich dafür zu schämen, „dass wir die staatliche Einweisungspraxis nie kritisch hinterfragt, kritische Einweisungen nicht kritisiert und es unterlassen haben, Einweisungen überhaupt auf den Sinn dieser Einweisung zu überprüfen. Wir haben alles gefressen, was uns vor die Zähne geschmissen wurde. Wir selbst haben unsere Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen.“

 

Unter jedem Punkt finden sich Versprechen darüber, was die Kirche zukünftig alles besser machen will. Das frechste Versprechen ist die Einladung, die Opfer therapeutisch und seelsorgerlich zu begleiten. Genauso kann  man ein Lamm in den Löwenkäfig schmeissen, damit es dort eine Angsttherapie erfährt. Was in dieser Erklärung völlig fehlt: Die Reue, die Buße, auch nur geringste Anzeichen eines Willens zur Wiedergutmachung.

 

Bischöfin Margot Käßmann hätte den Mitunterzeichner Christoph Künkel am Schlafittchen nehmen, ihn mit zur Regierungschefin schleifen und dort vortragen sollen: Wir haben Mist gebaut, ihr aber auch. Lasst uns den Dreck gemeinsam zusammenkehren. Wir, die Kirche, verkaufen unsere Grundstücke; ihr greift den Wohlstandsbürgern in die Tasche, damit den Opfern ein menschenwürdiges Altern finanziert wird.

 

Statt dessen haben Käßmann und Künkel nur geschwätziges Papier produziert.

 

Helmut Jacob

12. Oktober 2009

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