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3. Juni 2010 4 03 /06 /Juni /2010 13:48

Frau von der Leyen, Sie wollen gar nicht Bundespräsidentin werden, weil Sie zu viele Menschen nicht mögen

 

Offener Brief

 

Sehr geehrte Frau von der Leyen!

 

Mit Erstaunen entnehme ich heute verschiedenen Presseberichten, daß Sie als zukünftige Bundespräsidentin im Gespräch sind. Ich halte Sie für eine kluge Frau. Wenn Sie Ihre letzten Jahre rekapitulieren, kommen Sie selbst zu der Überzeugung, daß Sie dieses hohe, moralische Amt nicht ausfüllen wollen. Frau von der Leyen, Sie wollen gar nicht Bundespräsidentin werden, weil Sie zu viele Menschen nicht mögen.

 

Beispielsweise mögen Sie etwa eine Millionen ehemaliger Heimkinder nicht, die in den 50er bis 80er Jahren Opfer von Gewalt und Terror wurden. Bei Ihnen geht es nicht um Watschen, wie es Walter Mixa vor einigen Wochen entschuldigend formulierte. Hier geht es um Kleinkinder, Schulkinder und Jugendliche, die vergewaltigt, zusammengeschlagen und denen die Knochen gebrochen wurden, die oft über Wochen mit Dunkel- und Isolationshaft gefoltert wurden, die oft rund um die Uhr psychischem Terror ausgesetzt waren, denen man Bildung oder Ausbildung versagte, die man zur Zwangsarbeit ins Moor prügelte. Hier geht es um hilflose, körperlich oder geistig behinderte Schulkinder, denen im Alter von 6 bis 8 Jahren jeden Morgen die kleinen Fingerchen mit einem schweren Gehstock grün und blau geschlagen wurden, um muskelschwache Kinder, die man so lange in die Schulecke stellte, bis sie nach zwei, drei Stunden kraftlos ineinander sackten, und die solange mit schwerem Stock zusammengeprügelt wurden, bis sie unter Aufbietung allerletzter Kraftreserven wieder auf die Beine kamen, um Minuten später wieder zusammenzubrechen und die nächste Folter zu erleiden. Es geht um hilflose Kinder, denen mit einem breiten Handschlag das Trommelfell zertrümmert, denen das Nasenbein gebrochen wurde, die unter dem Schulpult zusammengetreten wurden. Es geht um drei- bis fünfjährige Kinder, die nach ihrem Mittagessen und der nachfolgenden Zwangsabtopfung auf Stühlen um einen Tisch herum angebunden wurden und denen jegliches Gespräch verboten wurde. Diese Kleinen mußten solche Qualen oft drei bis vier Stunden täglich ertragen. Es geht um Kinder, denen ein schwerer Gehstock mit einer solchen Gewalt ins Kreuz geschlagen wurde, daß dieser Gehstock zerbrach. Es geht um Kinder, die sexuell nicht nur mißhandelt, sondern vor anderen Kindern bloßgestellt wurden und an denen sich Pflegepersonal sexuell erregte. Es geht um Kinderköpfe, die gegen Heizungsrohre geschleudert oder zwischen Schultafeln gequetscht wurden. Um schwer erkrankte Kinder, die solange nicht behandelt wurden, bis sie entweder starben oder sich zusätzliche Behinderungen zugezogen haben. Es geht um Kinder, die heute sprachbehindert, fast taub oder schwer schmerzleidend sind.

 

Ihnen und vielen Säuglingen, deren Leid nicht aufgearbeitet werden kann, weil sie sich an die ihnen zugefügten Verbrechen nicht erinnern können, haben Sie mitten ins Gesicht geschlagen, indem Sie ihnen schon vor Beginn des Runden Tisches Heimkinder (Vollmer) folgende Widerlichkeit um die Ohren hauten: "Die Einrichtung eines nationalen Entschädigungsfonds wird von Bundestag und Bundesregierung nicht angestrebt." („taz.de“ vom 12. Januar 09, www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/heimkinder-gehen-leer-aus/).

 

Viele dieser ehemaligen Kinder und Jugendlichen sind heute Wracks. Ihr Leben wäre völlig anders verlaufen, wären sie nicht in die Fänge von Kirche, Staat und Fürsorge geraten. Dabei haben alle Aufsichtsorgane in ihrer Aufsichtspflicht versagt und damit diese Verbrechen gefördert. Hier hat die Gesellschaft eine Schuld auf sich geladen, die erst in den kommen 10 Jahren in vollem Ausmaß sichtbar wird. Dies alles ist Ihnen völlig egal. Prof. Manfred Kappeler analysiert diese Schweinerei und „sieht in der Stellungnahme der Ministerin den ‚Versuch, dieses außerordentlich heikle Thema im Wahljahr auf kleiner Flamme zu kochen und nach der Wahl stillschweigend zu entsorgen‘". („taz.de“ vom 12. Januar 09)

 

In Ihrem Wiederwillen gegen diese Heimopfer – anders kann man Ihre brutalen Äußerungen nicht deuten - legen Sie noch eins drauf:

Hat der Deutsche Bundestag mehr als 900.000€ zur Ausstattung des Runden Tisches unter Leitung von Antje Vollmer empfohlen, so haben Sie diesen Betrag selbstherrlich und ohne Notwendigkeit auf 400.000€ zusammengestrichen. Damit haben Sie den Runden Tisch zur Schwatzbude degradiert, der in einem Jahr Aufarbeitung lediglich alten Kaffesatz der 60er und 70er Jahre neu aufgebrüht hat. Es war ein verlorenes Jahr für die Heimopfer, die zu Tausenden jährlich sterben und Wiedergutmachung nicht mehr erleben dürfen. Die Auswirkungen Ihrer Willkür werden immer skandalöser deutlich. Prof. Kappeler in seiner Analyse „Zwischen den Zeilen gelesen – Kritik des ‚Zwischenberichts‘ des Runden Tisches Heimerziehung“ auf S. 3:

„Die dem RTH bewilligten 400.000 Euro, daran sei hier noch einmal erinnert, sind weniger als die Hälfte der vom Bundestag der Regierung empfohlenen und in einem Projektentwurf gut begründeten Finanzierung. Dieser Eingriff des Familienministeriums unmittelbar vor der Einsetzung des Gremiums hatte die gewünschten Folgen: Mit der Reduzierung auf zwei Personalstellen für Organisation und Kontakte mit Ehemaligen Heimkindern und mit der Reduzierung von Sachmitteln, der unter anderem der Aufbau eines dringend notwendigen bundesweiten Netzwerks zum Opfer gefallen ist, musste der RTH strukturell und inhaltlich permanent überfordert sein und auf „Sparflamme“ arbeiten. Ein weiterer Grund für das magere Ergebnis von einem Jahr „intensiver Aufarbeitung“. Diese „Ausstattung“ war eine Missachtung der Ehemaligen Heimkinder. Die Ablehnung der Finanzierung einer wahrscheinlich notwendigen Verlängerung um einige Monate würde diesen politisch gewollten Geburtsfehler des RTH noch verschärfen. 400.000 Euro für die „Aufarbeitung“ eines jahrzehntelangen Unrechts an hunderttausenden Kindern und Jugendlichen in der alten Bundesrepublik, die durch verbotene Kinderarbeit und verbotene Zwangsarbeit Millionen-Beträge erwirtschaften mussten, mit denen sie das System, in dem sie gedemütigt, missbraucht und geknechtet wurden, auch noch selbst finanzieren mussten – das ist ein Skandal, der durch den sich in falscher Harmonisierung ergehenden Zwischen-bericht verdeckt wird. (http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/Kappeler_zu_ZB_RTH.pdf)

 

Allzu offensichtlich ist es inzwischen, dass die Täterseite und die damaligen Versager in der Aufsichtspflicht nur eins im Sinn haben: Spekulieren auf die biologische Lösung des Problems.

 

Sie mögen offensichtlich weitere Millionen Alte und Behinderte nicht. Ihr Leid hinter Heimmauern haben Sie während Ihrer Amtszeit kein bißchen verbessert. Immer noch vegetieren sie dahin, fühlen sich oft mehr tot als lebendig, weil ihnen jede Zuwendung verwehrt und weil Sie dadurch täglich mißhandelt werden. Personalaufstockung zur Herstellung der Menschwürde in den Heimen haben Sie nicht erreicht. Selbst die Einsatzzeit für Zivildienstleistende, die den heutigen Heimopfern im Freizeitbereich einige Stunden Abwechslung im tristen Alltag hätten bieten können, wurde auf 6 Monate zusammengestrichen. Was in den meisten Heimen stattfindet, ist Euthanasie durch die Hintertür. Und das wissen Sie. Daran haben Sie nichts geändert.

 

Nicht wahr, Frau von der Leyen, Sie würden nie behaupten, die Repräsentantin aller Bürger zu sein. Sie nehmen dieses Amt sicher nicht an.

 

Helmut Jacob

3. Juni 2010

 

 

Heimkinder, Heimopfer, Gewalt, Verbrechen, sexueller Missbrauch, Kirche, Staat, Aufsichtsorgane, Folter, Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzung, Caritas, Diakonie, Erziehungshilfe, Runder Tisch, Vollmer, von der Leyen

 

Warum der Etat des Runden Tisches Heimkinder gekürzt wurde? Hier eine mögliche Antwort:

1,6 Millionen Euro: Die teure Imagepflege der Ursula von der Leyen

Ursula von der Leyen will das Image ihres Ministeriums aufpolieren: Mit 1,6 Millionen Euro aus dem Etat soll klammheimlich eine externe Kommunikationsstelle aufgebaut werden. Die tatsächlichen Kosten dürften deutlich höher liegen.

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/1-6-millionen-euro-die-teure-imagepflege-der-ursula-von-der-leyen;2593210

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