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27. Mai 2012 7 27 /05 /Mai /2012 16:07

27. Mai 2012: Brief an das

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Herrn Staatssekretär Josef Hecken

10117 Berlin

Telefax: 030206554150

Betreff: Kleine Anfrage BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.04.2012

Drucksache 17/9507 -  Ihre Antwort vom 16.05.2012

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

zunächst Danke ich Ihnen herzlich für die schnelle Beantwortung der o.g. Kleinen Anfrage. Die Opfer der Heimerziehung in den drei Nachkriegsjahrzehnten haben auf Antworten auf drängende Fragen gewartet und sind jetzt wenigstens etwas - wenn auch sicher nicht zu ihrer Zufriedenheit - informiert.

Ich möchte auf Ihre Antworten eingehen und Ihnen aufzeigen, warum sie nicht befriedigen können.

Haben Sie bei Ihrer Antwort zu Frage 1 und 2 bedacht, dass viele Opfer keinen Zugang zum Internet haben, weil sie altersmäßig überfordert sind? Haben Sie auch daran gedacht, dass viele Frauen und Männer durch ihre zerstörte Kindheit oder Jugend nie einen Fuss in die Tür zur Gesellschaft bekommen haben, weil sie jahrzehntelang traumatisiert waren, es immer noch sind, sie keine oder eine völlig unzureichende Ausbildung erfuhren und darum keinem Beruf nachgehen konnten. Die letztgenannte Gruppe ist heute arm und kann sich weder eine Computeranlage noch eine Zeitung leisten und ist im Informationsfluss erheblich eingeschränkt.

Sollte die Bundesregierung nicht endlich anfangen und das nachholen, was der „Runde Tisch Heimerziehung“ (RTH) bewusst nicht getan hat? Nämlich die Auflistung von Opfern und direkte Informationen an sie. Ob Ihre angekündigten Flyer und Poster wirklich verfügbar und beispielsweise auch in den Altenheimen zu finden sind, wird sich zeigen.

Ihre Antwort auf die Fragen 3 bis 6 ist für viele Opfer Augenwischerei. Sie erkennen keine klare Zusage Ihres Ministeriums, dass diese Fondsleistungen tatsächlich einklagbar anrechnungsfrei auf andere Sozial- oder Rentenleistungen sind. Statt dessen lesen sie zahlreiche Absichtserklärungen wie: „anrechnungsfrei auf andere Sozialleistungen gewährt werden sollen“, oder „einstimmig vorgeschlagen“, oder „Die Länder bekräftigen, dass sie ein entsprechendes Verwaltungshandeln bei den Kommunen ausdrücklich unterstützen.“ Und wenn Sie dann noch darauf hinweisen, dass die Auszahlung der Leistungen „freiwillig erfolgt und dafür weder eine rechtliche noch sittliche Verpflichtung der Errichter besteht“, stellt sich die Frage, wie Sie die Opfer in der Form beruhigen können, dass die Anrechenbarkeit bei den Sozialämtern rechtlich und sittlich ausgeschlossen ist. Sätze später erfolgt die Schreckensmeldung aus Ihrem Haus, die nun die letzte Hoffnung auf Nichtanrechenbarkeit zerstört: „Die Auslegung dieser Rechtsvorschriften obliegt ... den Vollzugsbehörden vor Ort.“ Einen Abschnitt weiter sehen Sie „keine Notwendigkeit für den Erlass einer gesetzlichen Regelung... .“ Geradezu als Hohn empfinden müssen die Opfer Ihren vorletzten Satz zu dieser Frage: „Diese Lösung verspricht den Betroffenen Rechtssicherheit und trägt dem Anliegen des Fonds Rechnung.“ (Unterstreichungen von mir eingefügt)

Ihre Antwort auf Frage 7 versteht der Durchschnittsbürger wahrscheinlich nicht. Darin dokumentiert sich der Abstand zwischen der Politik und den Bürgern. Aber auch im Bundestag sitzen etliche Abgeordnete schlichter Intelligenz; wenn man mal beobachtet, welche Zeitung häufig während der Debatten gelesen wird. Was ist, so fragt man sich, „die Rechtsform einer nicht rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts“? Dokumentiert die Bundesregierung mit dieser Aussage aber nicht auch, dass sie seit Einrichtung des RTH nichts für die Einrede der Verjährung getan hat, die von den Opfern von Anfang an gefordert wurde?

Schrillen in Ihrem Haus nicht sämtliche Alarmglocken (Frage 7), weil Ihnen bei bis zu 800.000 Opfern, bei denen Behinderte, in die Psychiatrie Zwangseingewiesene, Kleinkinder und Säuglinge nicht einmal eingerechnet sind, erst 330 Vereinbarungen vorliegen? Wie groß muss die Unsicherheit sein, am Ende doch nichts zu erhalten, wie groß die Ablehnung des RTH und seiner Empfehlungen? Wird diese Tatsache in Ihrem Ministerium nicht völlig ignoriert?

Ihre Antwort auf Frage 13 ist mager. Mit dieser wird nämlich die Gefahr von Retraumatisierungen und erneuter Gewalt bei alters- oder behinderungsbedingter Heimeinweisung ganz klar nicht ausgeschlossen. Sie verweisen auf einen begrenzten Zeitraum und stehlen sich aus der Verantwortung für das Schicksal der Opfer nach Fristablauf. Und gerade auch hier liegt das Versagen des RTH: für die Folgezeit trotz eindringlicher Warnungen und Hinweise keine Konzepte erstellt zu haben. Eine Opferrente, die dazu beitragen könnte, das Pflegepersonal, in dessen Händen man sich erneut abhängig begibt, freundlich zu stimmen, haben alle Beteiligten rundweg abgelehnt.

Auch die Antwort auf die Fragen 14 und 15 ist meines Erachtens beschämend. Ihnen müssten längst Hinweise vorgelegen haben, dass abertausende Akten gezielt vernichtet, die Opfer mit Kellerflutungen und eingestürzten Wänden abgespeist wurden. Die Bundesregierung muss sich die Frage anhören, warum sie nicht mit Beginn der Arbeit des RTH über die juristische Schiene diese Akten hat sichern lassen. Man muss nicht besonders klug sein, um zu wissen, dass jeder Täter versucht, Spuren zu verwischen.

Ich werde auf meine Fragen, die sich aus Ihren Antworten an DIE GRÜNEN ergeben, sicher keine Antwort erhalten. Darum veröffentliche ich diesen Brief direkt im Internet.

Mit freundlichem Gruß

Helmut Jacob

http://dierkschaefer.files.wordpress.com/2012/05/antwort-17-9507-fonds-heimerziehung.pdf

Runder Tisch Heimerziehung, RTH, Heimopfer, Gewalt, Kirchen, Politik

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