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20. Mai 2009 3 20 /05 /Mai /2009 22:47
Vorbemerkung:
Die evangelische und katholische Kirche hat der
Ruhr-Universität Bochum einen Forschungsauftrag gegeben. In diesem Projekt
sollen Opferzahlen, rechtliche Grundlagen und Regularien erhoben und mit der
Praxis verglichen, ferner Fälle aufgearbeitet werden. Dazu der Projektleiter
Professor Traugott-Jähnischen: „Wir wollen einen Querschnitt der Realität in
den damaligen Heimen aufzeigen.“ Ziel des Projekts sei es zudem, die
Hintergründe der Zuständen in den Heimen zu ergründen. Auch die Verantwortung
des Staates sei noch zu klären.

Bevor über den Sinn und Unsinn eines solchen Projektes
angesichts der Informationsfülle in Internetforen diskutiert wird, ist ein
Kopfschütteln erlaubt. Es ist nicht so, dass die Kirchen ein völlig
unabhängiges Institut beauftragen, vielmehr geht es um die Kirchliche Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum. Wer ähnliche Forschungsprojekte beobachtet hat,
hegt die Befürchtung, dass hier ein auf Kurs getrimmter „Lehrstuhl für
christliche Gesellschaftslehre“ den Dreck zusammenfegen soll, den die Kirchen
in 20 Jahren hinterlassen haben. Wahrscheinlich soll das Ziel dieses Projektes
die Umwandlung von Dreck in Kompost sein. Zwar kann Professor Jähnichen
verkünden, dass sein Lehrstuhl völlig unabhängig arbeitet und damit mag er
sogar Recht haben. Im Volksmund bleibt allerdings das alte Sprichwort: „Wes
Brot ich eß, des Lied ich sing.“ Dies mag völlig ungerechtfertigt und
unzutreffend sein. Dieses Vorurteil wird sich nicht ändern lassen. Schon darum
gilt diese Fakultät als befangen. Aufrichtige Wissenschaftler theol. Fakultäten müssten sich selbst als befangen betrachten und solche Projekte ablehnen, weil ihre
Glaubwürdigkeit nur von einem Teil der Bevölkerung in diesem Zusammenhang
anerkannt wird.

Wem nutzt ein solches Projekt? Das Projekt kann den Kirchen
insofern nutzen, als dass sie einmal einen zusammengefassten Überblick über die
Gräueltaten in den Nachkriegsjahren bis zu Beginn der 80er Jahre erhalten.
Diesen Überblick bekommen sie allerdings nur, wenn sich die Historiker die Mühe
machen, nicht nur bei den Kirchen vorliegende Storys zu sichten sondern auch
wochenlang im Internet zu recherchieren und selbst einzelne Fragmente
zusammenzufügen. Die allerwenigsten Opfer haben ihre Berichte fertig in der
Schublade liegen und tragen sie wie eine Monstranz vor sich her. Die
allermeisten beginnen erst mit dem Aufarbeitungsprozess, wie auch immer
ausgelöst, „ihre Geschichte“ zusammenzusetzen. So sind einzelne Fragmente auf
unterschiedlichen Seiten und in unterschiedlichen Foren verstreut.

Ob die evangelische Fakultät Bochum dieses Zusammensuchen
neben dem Lehrplan leisten kann, ist fraglich. Allerdings kann es auch sein,
dass bei gewissenhafter Ausführung des Projektes einkalkuliert wird, dass
dieses Projekt wenigstens ein Jahrzehnt beansprucht. Bis dahin reduziert sich
die Zahl der Opfer durch die biologische Lösung. Zahlreiche Äußerungen von
Rechtsnachfolgern aus dieser Zeit lassen erkennen, dass genau dies das Ziel
ist. Wenn beispielsweise angesichts der vorhandenen Fülle des Materials immer
noch Runde Tische gefordert werden, Diakoniepräsident Kottnik aber öffentlich
jammert, dass dieser Runde Tisch bisher nicht tagen konnte, weil noch kein
Vorsitzender gefunden wurde, muss man berechtigt fragen: Warum macht er ihn
nicht selbst oder kommt es ihm gerade recht, dass sich niemand für den Vorsitz
findet, - um schlichtweg Zeit zu schinden.

Dieses Forschungsprojekt hätte nur dann einen Sinn, wenn es parallel zu den notwendigen Schuldbekenntnissen und Sühnebestrebungen der
Kirchen laufen würde.

Die Opfer selbst haben von diesem Forschungsprojekt nichts.
Sie reiben sich verwundert die Augen, wenn Diakoniepräsident Kottnik
Familienministerin Ursula von der Leyen öffentlich auffordert, diesen Runden
Tisch zu finanzieren. Die Opfer vermuten dahinter die Fortsetzung in der
Forderung, dass die Öffentliche Hand den Schlamassel (der aus einer
Aneinanderreihung von Verbrechen besteht) ausbadet und die Aufgabe übernimmt,
Entschädigungsansprüche abzubügeln. Für die Kirchen bliebe eigentlich nur eine
kleine Überarbeitung des „Stuttgarter Schuldbekenntnisses“ von 1945. Dort heißt
es: „ ... aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer
gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“ Mit
solchen windelweichen Erklärungen haben sie schon einmal Politiker, Gläubige
und dumme Menschen am Nasenring durch die Manege geführt.

Die Opfer selbst haben von Runden Tischen und langzeitigen
Forschungsprojekten überhaupt nichts. Sie brauchen Hilfe. Jetzt und heute. Die
allermeisten würden ein anderes Leben, sorgenfreier, wahrscheinlich auch
finanziell gesicherter leben, wenn sie diese Kindheits- und Jugenderlebnisse
nicht gehabt hätten. Schon darum ist eine Opferentschädigung zwingend zu
akzeptieren. Genauso bedrückend ist ihre Sorge um die Zukunft: Wann ist es
soweit, dass ich wieder ins Heim muss und im Alter erneut erleben muss, was ich
in Kindheit und Jugend erlebt habe. Diese Angst ist völlig begründet, und wer
den Namen “Fussek” googlet, erfährt, dass es in vielen, auch kirchlichen
Altenheimen, heute Gewalt und psychischen Terror gibt. Dabei haben sich die
Kirchen damals vor 60 Jahren fortlaufend bis heute diese sozialen
Aufgabengebiete unter den Nagel gerissen, mit der Behauptung, sie würden alles
besser machen als staatliche Institutionen.

Das Forschungsprojekt kommt also nur den Beschuldigten zu
Gute. Es schindet Zeit und lässt damit die Anspruchsberechtigten biologisch
verschwinden.

Sollte die Evangelische Fakultät Bochum allerdings unabhängig
arbeiten wollen und dürfen, käme sie sehr schnell dahinter, dass die einzelnen
Berichte der Opfer sich wie Mosaiksteinchen zusammensetzen lassen. Sie
bestätigen unabhängig voneinander die Verbrechen bis in einzelne Heime und
Schlafzimmer hinein und lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie
tatsächlich stattgefunden haben.

Ich persönlich erwarte auch von diesem Projekt nichts. Die Darstellung des Forschungsprojektes unter Leitung der Professoren Dammberg und
Jähnich lässt nichts Gutes erwarten.
http://www.ruhr-uni-bochum.de/jaehnichen/kirchliche_heimerziehung.pdf
Helmut Jacob
23. 10. 2008
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